Patientengerechte Gesundheitsversorgung für Hochbetagte - Anforderungen aus der Sicht älterer und hochaltriger Menschen

Patientengerechte Gesundheitsversorgung für Hochbetagte - Anforderungen aus der Sicht älterer und hochaltriger Menschen

von: Gabriele Seidel, Ulla Walter, Nils Schneider, Marie-Luise Dierks

Kohlhammer Verlag, 2013

ISBN: 9783170274624

Sprache: Deutsch

182 Seiten, Download: 8074 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: geeignet für alle DRM-fähigen eReader geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Patientengerechte Gesundheitsversorgung für Hochbetagte - Anforderungen aus der Sicht älterer und hochaltriger Menschen



3 Studienteil A – Phase 0


Der Studienteil A wurde in drei Phasen bearbeitet

  • Phase 0: qualitative Vorstudie
  • Phase I: standardisierte Befragung von 150 hochbetagten Patienten (T1)
  • Phase II: Nachbefragung dieser 150 Patienten sechs Monate nach der stationären Behandlung (T2)

3.1 Phase 0 – Qualitative Vorstudie


In der qualitativen Vorstudie sollten zunächst die geeigneten Erhebungsinstrumente entwickelt und die organisatorischen Bedingungen für die Durchführung der standardisierten Erhebungsphase in den beteiligten Kliniken geprüft werden, um damit:

  • Ein vertieftes Verständnis der Perspektive der Hochaltrigen zu erlangen
  • Das Rekrutierungsverfahren zu entwickeln
  • Die Patientendaten auf Eignung für die Studie zu prüfen
  • Die Datenübermittlung zu sichern
  • Die bestmögliche Integration der Studie in den Klinikalltag zu erlangen

3.1.1 Qualitative Interviews


In Phase I wurden leitfadengestützte, qualitative Interviews mit den hochaltrigen Patienten durchgeführt. Der Gesprächsleitfaden diente als strukturierende Grundlage der Interviews und konnte von den Interviewern im Gesprächsverlauf flexibel gehandhabt werden. Der Leitfaden beinhaltete folgende Diskussionsschwerpunkte:

  • Struktur und Organisation des Lebensalltags vor dem Ereignis »Erkrankung«
  • Präventives Verhalten vor dem Ereignis
  • Kooperation der Versorgungseinrichtungen
  • Vorstellungen über den Lebensalltag nach dem Aufenthalt in der geriatrischen Rehabilitationsklinik
  • Mögliche Unterstützungen zur Bewältigung des Alltages
  • Arzt-Patienten-Beziehung, inkl. präventive Hausbesuche
  • Patient-Krankenkassen-Verhältnis
  • Informationsverhalten
  • Kenntnis über Patientenrechte
  • Soziodemografische Aspekte

Die Interviewer führten die Gespräche in einem Besprechungsraum in der geriatrischen Rehabilitationsklinik, in der sich die Befragten zum Zeitpunkt des Interviews aufhielten. Aufgabe der Interviewer war es, die Gesprächsteilnehmer bei der Artikulation ihrer Aussagen und Meinungen zu unterstützen und eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Befragten bereit waren, an dem Gespräch teilzunehmen und dies bis zum Ende durchzuführen.

Im Rahmen der Interviews wurde auch überprüft, ob und wie die Studienteilnehmer mit standardisierten Fragen und Antwortvorgaben umgehen können und welche visuellen Hilfen bei der Beantwortung dieser Fragen sinnvoll sind. Dazu wurde eine Skala mit Smileys bei der Frage nach dem Gesundheitszustand eingesetzt, zudem eine Antwortskala, die mit einem Schieberegler zu beantworten war ( Abb. 1).

Abb. 1: Visuelle Analogskala; auf der Rückseite war eine Skalierung von eins bis zehn abgebildet.

Die Interviews wurden mit einem Mini-Disk-Gerät aufgezeichnet und anschließend transkribiert.

3.1.2 Prozessbeobachtung


Da die Literaturangaben zur Durchführung von Interviews mit Patienten im Alter von 80 Jahren und älter nicht sehr umfangreich sind, sollten in der Vorstudie nicht nur die Ergebnisse der Interviews analysiert werden, vielmehr sollte auch der Interviewprozess selbst Gegenstand der Forschung sein.

Zur Identifizierung möglicher Interviewer -Effekte bei Befragungen mit hochbetagten Menschen und zur optimalen Vorbereitung der quantitativen Befragungsphase wurde deshalb in der qualitativen Phase I eine Prozessbeobachtung durchgeführt. Bei jedem Interview war eine zweite, qualifizierte Person anwesend und protokollierte den Interviewverlauf, das Verhalten der Befragten und das Verhalten der Interviewer. Im Beobachtungsprozess wurden folgende Kategorien dokumentiert:

  • Wie verhält sich die befragte Person während des Interviews (Zeitverlauf, Ermüdungserscheinungen, Konzentration, Interesse, Unmut, Abwehrmechanismen)?
  • Wie verhält sich die Interviewerin (Empathie)?
  • Versteht die befragte Person die Interviewerin (Deutlichkeit der Sprache, Nachfragen, Lautstärke, Schnelligkeit)?
  • Hast Du den Eindruck, dass die befragte Person die Fragen versteht (Verständnisschwierigkeiten, z. B. Wortwahl etc.)? Dokumentiere die Fragen, bei denen es Schwierigkeiten gibt, aber auch die, bei denen die Befragten viel zu erzählen haben.
  • Beobachte, wie die Befragten mit den standardisierten Fragen umgehen (Entscheidungszeit, Lesezeit, Ängstlichkeit usw.).
  • Was fällt Dir an dem Gespräch positiv auf?
  • Was fällt Dir an dem Gespräch negativ auf?
  • Was war besonders interessant (Geschichten, Erzählungen, Bemerkungen zu Fragen/Befragung/zu Interviewerinnen – eigentlich alles, was auffällt)?
  • Subjektiver Eindruck des Beobachters vom interviewten Patienten (gepflegt, geistiger Zustand, Verhalten, Freundlichkeit etc.)

3.1.3 Erfassung von Patientendaten


Als Ergänzung zum qualitativen Interview wurde ein standardisierter Dokumentationsbogen eingesetzt. Hier dokumentierte eine Studienassistentin Daten aus den Patientenakten, um Hinweise auf den objektiven Gesundheitszustand und die soziale Lage der Befragten zu ermitteln. Die Patientendaten im Dokumentationsbogen bezogen sich auf:

  • Alter
  • Staatsbürgerschaft
  • ICDs bei Einweisung (ICD-Nummer und Klartextangaben)
  • Gewicht/Größe oder BMI
  • Fragen zur Einweisung der Patientin/des Patienten
  • Fragen zu verschiedenen Tests: Demenztest, Barthel-Index (Pflege) bzw. Fim Test
  • Fragen zur Pflegestufe
  • Familienstand
  • Wohnort
  • Wohnsituation
  • Krankenversicherung
  • Verbleib der Patientin/des Patienten nach der Entlassung

3.1.4 Rekrutierung der Teilnehmer für die Interviews


Als Erhebungsorte wurden drei geriatrische Rehabilitationskliniken im Raum Hannover und Hildesheim ausgewählt (Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie der Henriettenstiftung Hannover, Klinikum Hannover – Geriatrisches Zentrum Hagenhof, Geriatrische Abteilung der Salze Kliniken, Bad Salzdetfurth).

Bei der Auswahl der Befragten wurde ein »theoretical sampling« genutzt (Lamnek 1998), um ein breites Spektrum von Aussagen zu den interessierenden Themen zu gewinnen. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Befragten 80 Jahre und älter sind, sich in der stationären geriatrischen Rehabilitation befinden und über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen sollten. Zudem sollten sowohl Frauen wie Männer befragt werden, Menschen mit guter Integration in soziale und familiäre Zusammenhänge sollten ebenso zu Wort kommen wie einsam lebende Menschen, Patienten, die vor dem Krankenhausaufenthalt in ihrer eigenen Wohnung lebten, ebenso wie Menschen, die in Alten- oder Pflegeheimen leben.

Ausschlusskriterium war eine diagnostizierte manifeste Demenz bei den Befragten, da diese kognitiv dazu in der Lage sein mussten, ein Interview durchzuführen.

Unter Berücksichtigung des Datenschutzes war es notwendig, die potentiellen Studienteilnehmer mithilfe des Klinikpersonals zu rekrutieren. Entsprechend wurden die Patienten, die die Einschlusskriterien erfüllten, von den Chef-, Ober- oder Stationsärzten sowie von Mitarbeitern der Kliniken angesprochen. Die Mitarbeiter der Kliniken händigten den Patienten ein Informationsblatt aus, das über Inhalt und Ziel des Interviews aufklärte und Informationen über Ziele und Mitwirkende an der Studie enthielt. Sie gaben die entsprechenden Daten dann an die Studienkoordination weiter.

3.1.5 Auswertung der Daten aus der qualitativen Phase I


Die Analyse des Datenmaterials erfolgte in mehreren Schritten (Strauss und Corbin 1990). Nach der Transkription wurden die Texte zunächst im Sinne inhaltsanalytischer Verfahren bearbeitet. Dazu wurden die erfassten Aussagen unter Nutzung des Auswertungsprogramms »ATLAS TI« engmaschig am Material verschlagwortet (Kategorien). Auf diese Weise konnten 770 Aussagen identifiziert und kodiert werden, diese wurden in einem nächsten Schritt zu 43 übergreifenden Kategorien zusammengefasst und in einem weiteren Schritt zu 18 Subkategorien verdichtet.

Die Patientendaten aus dem Krankenblatt der jeweiligen Klinik wurden von einer Mitarbeiterin des Studienteams dokumentiert, in eine Accessdatenbank eingegeben und mit dem Auswertungsprogramm SPSS analysiert.

3.2 Ergebnisse der qualitativen Interviews und Schlussfolgerungen für Phase I


Durchgeführt wurden in der Zeit vom 15. Juli bis zum 27. Juli 2006 zehn qualitative Interviews, je vier Interviews in zwei Kliniken und zwei Interviews in einer Klinik.

Die Interviews fanden in Besprechungsräumen der Kliniken statt, weil hier eine ungestörte Interviewführung möglich war. Zwei Befragte saßen während des Interviews in einem Rollstuhl, alle...

Kategorien

Service

Info/Kontakt