Sport und Bewegung für Menschen mit Demenz

Sport und Bewegung für Menschen mit Demenz

von: Birgit Backes, Matthias Maschke, Uschi Wihr

ERNST REINHARDT VERLAG, 2023

ISBN: 9783497617647

Sprache: Deutsch

128 Seiten, Download: 11701 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Sport und Bewegung für Menschen mit Demenz



3 Impulse für den Ablauf der Sportstunden

Von Birgit Backes

Die Sportstunden sollten an festen Tagen, zur gleichen Uhrzeit und im selben Raum stattfinden. Eine feste Zeittaktung für die einzelnen Übungsschwerpunkte anzugeben ist nicht sinnvoll – hier sollte man sich an der Tagesform und der Aufnahmefähigkeit der Gruppenteilnehmenden orientieren. Es bietet sich aber an, dass jede Stunde eine feste Struktur aufweist:

Begrüßung

Blutdruck- und Pulsmessung

Wurfspiel-Runde als erkennbares Startritual (jede Stunde sollte zur Orientierung mit dem gleichen Bewegungsspiel, also einer Wurfrunde, beginnen)

leichtes Herz-Kreislauf-Training

Koordinationsübungen und Dual-Task-Aufgaben in einer frühen Phase, da es sich hierbei um die anspruchsvollsten Aufgaben handelt

Bewegungen zur Verbesserung des Gleichgewichts und Elemente zur Sturzprophylaxe

Stärkung der Muskulatur, allgemeine Beweglichkeit

Abschlussritual: Tänze, Entspannungsübungen, Spiele, Gedichte, Wahrnehmungsgeschichten

Nach ca. zwanzig bis dreißig Minuten ist es günstig, eine Trinkpause einzulegen. Des Weiteren ist es von großem Vorteil, wenn die Stunden immer von denselben Übungsleitenden durchgeführt werden – dann kann ein Bezug zu den Teilnehmenden aufgebaut werden, der sehr hilfreich im Umgang miteinander ist. Die Teilnehmenden fühlen sich sicherer, wenn sie in jeder Stunde persönlich von den Übungsleitenden begrüßt und angesprochen werden.

Diese Begrüßung vermittelt Wertschätzung und ein Gefühl der Gruppenzugehörigkeit: „Ich werde wahrgenommen und bin ein Mitglied dieser Gruppe.“

Die Übungen sollten sowohl verbal als auch visuell vorgegeben werden. Da das Sprachverständnis bei Menschen mit Demenz unter Umständen Defizite aufweisen kann, ist das Vormachen und Anleiten bestimmter Bewegungsabläufe hilfreich:

Unterstützend ist es hier, konkrete Beispiele zu nennen, die den Teilnehmenden aus Alltagsbildern bekannt sind, z. B. Äpfel pflücken.

Beim Erklären ist es wichtig, langsam und in kurzen, klaren Sätzen zu sprechen. Sprechweise, Stimmklang und Sprachfluss sollten ruhig und entspannt sein.

Außerdem ist es wichtig, Blickkontakt zu den jeweiligen Personen aufzunehmen und ihnen ausreichend Zeit zu lassen, die Vorgaben umzusetzen.

Das Bewegungsprogramm sollte der Gruppe angepasst sein und alle Teilnehmenden berücksichtigen, um Über- und Unterforderungen zu vermeiden:

Alle sollten soweit gefordert werden wie möglich, sodass sie Erfolge spüren und dadurch ihr Selbstwertgefühl gestärkt wird.

Von den Übungsleitenden sollte ein gezieltes Lob ausgesprochen werden, wenn die Leistung entsprechend ist. Ein anerkennendes Lob motiviert und bestärkt.

Eine Überforderung ist zu vermeiden – der Spaßfaktor und die Freude an der Bewegung sind wichtig.

Den Teilnehmenden sollte immer ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit vermittelt werden. Das ist insbesondere bei Übungen im Bereich der Sturzprophylaxe und des Gleichgewichts wichtig, die oft eine große Hürde darstellen. Körperhaltung, Mimik und Gestik der Anleitenden sollten den Teilnehmenden vermitteln: „Du bist mir wichtig!“ Kommt dieses Gefühl bei den Menschen an, können Übungsleitende problemlos unterstützend in verschiedene Bewegungsabläufe eingreifen.

MERKE

Einen Grundsatz, der immer beherzigt werden sollte: Die an Demenz erkrankten Teilnehmenden sind als Erwachsene zu behandeln.

3.1 Anregungen für die Übungsleitenden

Von Birgit Backes

Wenn Menschen mit Demenz frühzeitig mit sportlicher Aktivierung beginnen, können die kognitiven Fähigkeiten über einen längeren Zeitraum stabilisiert werden. Damit die Sicherheit der Teilnehmenden gewährleistet ist und die Freude an Bewegung erhalten bleibt, gibt es wichtige Aspekte, die die Übungsleitenden beachten sollten. Die Teilnahme an den Sportstunden darf grundsätzlich nur dann erfolgen, wenn aus ärztlicher Sicht hierfür keine Einwände bestehen.

Ergänzend zu den in Kapitel 3 beschriebenen Impulsen ist es von grundlegender Bedeutung, die Inhalte der Sportstunden in ihren Teilbereichen flexibel und der jeweiligen Gruppe angepasst durchzuführen. Dazu sollten die Übungsleitenden über das Krankheitsbild Demenz informiert sein und motivierend, empathisch und wertschätzend mit den Teilnehmenden umgehen.

Die Stundenbilder sind so aufgebaut, dass zu Beginn einer jeden Sporteinheit eine Spielvariante mit Bällen oder Wurfsäckchen aufgezeigt ist: Zum einen, um die feste Struktur am Beginn der Sportstunde als Orientierung zu setzen, zum anderen, um das Reaktionsvermögen und die räumliche Orientierung der Teilnehmenden einschätzen und regelmäßig trainieren zu können. Im Laufe der Zeit entwickeln die Menschen eine gewisse Sicherheit im Umgang mit dem Wurfmaterial und der räumlichen Orientierung. Es bietet sich an, mit den Stundenbildern 1 und 2 zu beginnen. Da die Übungsleitenden in den ersten beiden Stundenbildern feste Wurfpartner vorgeben, müssen die Teilnehmenden sich nur einen Namen merken. Gibt es beim Merken des Vornamens bereits Defizite, können die Anleitenden helfen, indem sie per Handzeichen signalisieren, wohin der Ball geworfen werden soll und gleichzeitig den Vornamen dieser Person nennen. Im weiteren Verlauf der Sportstunden sind die aufgeführten Wurfspielvarianten in den Stundenbildern absolut frei einsetzbar und sollen v. a. viel Spaß und Freude bereiten.

Nach dem Einstiegs-Spiel am Beginn der Sportstunde folgen Übungen, die dem Training bestimmter Bereiche zugeordnet werden können.

Im Bereich Herz-Kreislauf-Training (Kap. 5.1), bei dem die wichtige Versorgung unseres Organismus mit Sauerstoff und Nährstoffen gesteigert werden soll, kann ganz unterschiedlich trainiert werden. Hier ist es wichtig, die Vorerkrankungen der Teilnehmenden zu kennen bzw. vorher zu erfragen. So können die Belastbarkeitsgrenzen beachtet und Überlastungen vorgebeugt werden. Unterstützend wirken hier die regelmäßige Überprüfung und Dokumentation der Blutdruck- und Pulswerte sowie das Anlegen einer Medikamentenliste von jedem Teilnehmenden. Nach einigen Wochen lässt sich dann ein aussagekräftiger Verlauf von Blutdruck und Puls erkennen und einschätzen.

TIPP

Übungsleitende können den Beginn der Stunde früher festlegen, sodass vorher vor Ort Blutdruck- und Pulsmessungen durchgeführt und die Werte dokumentiert werden können.

Das Herz-Kreislauf-Training mit Musik durchzuführen, wird meist sehr gerne angenommen. Es empfehlen sich sowohl Gehvarianten im Raum als auch Tanzformationen oder Bewegungsabfolgen im Kreis stehend, wie in Abbildung 16 als Beispiel dargestellt. Hier ist Kreativität der Übungsleitenden gefragt! Hilfreich ist es, die Biographien und den Musikgeschmack der einzelnen Teilnehmenden ein wenig zu kennen – das unterstützt in jedem Fall bei der Suche nach der passenden Musik (z. B. Evergreens, klassische Werke, Schlager aus verschieden Jahren). Das Herz-Kreislauf-Training ist der Bereich, der von den Teilnehmenden meist noch selbständig und ohne professionelle Unterstützung wahrgenommen wird – z. B. in Form von Spaziergängen, Nordic Walking oder Fahrradfahren. Dieser Trainingsbereich wird in den Stundenbildern deshalb sehr moderat aufgezeigt und folgt meist auf die Wurfspielrunde. Soll eine Einheit mit intensiverem Herz-Kreislauf-Training durchgeführt werden, ist es sinnvoll, diese Übungseinheit nach dem Koordinations- oder Dual-Task-Bereich zu platzieren.

Durch sogenannte Dual-Task-Aufgaben (Kap. 5.2) können motorisch-kognitive Komplexleistungen trainiert werden. Defizite hier sind frühe Anzeichen einer demenziellen Entwicklung. Es fällt den Betroffenen schwer, gleichzeitig zwei motorische Aufgaben oder eine motorische Aufgabe in Kombination mit einer kognitiven Aufgabe zu lösen („Stop walking when talking“). Die Kombination sollte in jeder Sportstunde trainiert werden. Dieser wichtige Bereich ist sehr vielfältig gestaltbar, sodass für alle Teilnehmenden geeignete Herausforderungen gefunden werden können. Eine Auswahl an möglichen Übungen finden Sie im Anhang oder zum Download auf der Homepage des Ernst Reinhardt Verlags. Bei den Dual-Task-Aufgaben ist es schwer vorherzusagen, was für einzelne Personen eine Herausforderung darstellt. Menschen mit Wortfindungsstörungen kommen bei Übungen, in denen bestimmte Begriffe gesucht werden, schnell an ihre Grenzen, sind aber vielleicht motorisch sehr fit und können eine Kombination aus zwei motorischen Herausforderungen gut bewältigen. Andere, die schon immer und gerne mit Zahlen gearbeitet haben, können z. B. sehr schnell kleine Rechenaufgaben lösen, stoßen jedoch bei kleinsten motorischen Herausforderungen an ihre Grenzen. Auch hier ist das Feingefühl der Übungsleitenden besonders gefragt: Ziel ist es, dass alle Teilnehmenden eine dieser Dual-Task-Aufgaben schafft. Der Schwierigkeitsgrad wird von den Übungsleitenden individuell festgelegt und sollte zu Beginn nicht zu komplex ausfallen. Eine Steigerung ist immer möglich und mit der Zeit lernt man die Stärken der Teilnehmenden kennen, sodass das Niveau der jeweiligen Person angepasst werden kann. Gerne können Dual-Task-Aufgaben auch zu zweit durchgeführt werden. Für diesen Fall ist...

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