Museumsangebote für Menschen mit Demenz - Ein Praxishandbuch zur Förderung kultureller und sozialer Teilhabe

Museumsangebote für Menschen mit Demenz - Ein Praxishandbuch zur Förderung kultureller und sozialer Teilhabe

von: Ann-Katrin Adams, Frank Oswald, Johannes Pantel

Kohlhammer Verlag, 2022

ISBN: 9783170330467

Sprache: Deutsch

184 Seiten, Download: 7407 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Mehr zum Inhalt

Museumsangebote für Menschen mit Demenz - Ein Praxishandbuch zur Förderung kultureller und sozialer Teilhabe



Einführung


Angebote im Museum für die zunehmende Zahl von Menschen, die mit einer demenziellen Erkrankung leben und für ihre Angehörigen, haben in Deutschland eine mittlerweile über 10-jährige Tradition. Sie entstanden aus dem Anliegen heraus, die kulturelle Teilhabe von Menschen mit Demenz mithilfe speziell konzipierter Angebotsformate zu fördern. Denn obwohl einige Menschen mit Demenz auch an offenen Museumsangeboten partizipieren, indem sie eigeninitiativ ins Museum gehen, sich Ausstellungen in Eigenregie ansehen oder an den öffentlichen Führungen teilnehmen, ist ihr Anteil hier wohl eher gering. Wie in mehreren Beiträgen des vorliegenden Buches dargestellt, sind die Gründe für diesen Rückzug aus dem öffentlichen Raum vielfältig. Allein die Tatsache jedoch, dass dieser Rückzug stattfindet, betont die Notwendigkeit, gerade für diese Menschen spezielle Angebote zu schaffen, die den öffentlichen kulturellen Raum für sie zugänglich und erfahrbar machen und sie zur Auseinandersetzung mit den ausgestellten Kunstwerken und anderen kulturellen Gütern anregen. Hinzu kommt aus Sicht einer interdisziplinären Alternsforschung der gut belegte Befund, dass eine aktive oder passive Auseinandersetzung mit Kunst grundsätzlich (also nicht nur bei Demenz) langfristig zum Wohlbefinden beiträgt (z. B. Tymoszuk et al., 2020).

Vor diesem Hintergrund bietet der Sammelband den Lesenden einen Einblick in die praktische Gestaltung von Museumsangeboten für Menschen mit Demenz. Dies geschieht – mit einem Schwerpunkt auf Kunstmuseen – aus verschiedenen Perspektiven (z. B. Museumspädagogik, Soziale Arbeit, Alternsforschung). Dabei war es uns einerseits ein Anliegen, die Breite der bereits bestehenden Angebote abzubilden, andererseits aber auch zu zeigen, welche Bausteine für die Konzeption eines erfolgreichen Angebots erforderlich sind. Auch wird in dem Sammelband dargestellt, wie u. a. politische Entwicklungen, beispielsweise Gesetzesänderungen oder das Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention Einfluss auf die Gestaltung kultureller Teilhabe für Menschen mit Demenz nehmen. Wir haben das Buch daher mithilfe der einzelnen Hauptkapitel in Sinneinheiten unterteilt. Diese nehmen zwar Bezug aufeinander, jedes Unterkapitel steht aber auch für sich – sodass die Lesenden durch die gezielte Lektüre einzelner Beiträge leicht Antworten auf bereits konkrete Fragen erhalten können.

Wir freuen uns sehr, dass wir in dem vorliegenden Buch die Expertise und das Erfahrungswissen so vieler unterschiedlicher Akteur*innen aus unterschiedlichen Praxisfeldern, aber auch mit Bezug zur Forschung zusammenführen konnten. Dadurch sind die Beiträge inhaltlich vielfältig, auch bringen die Autor*innen aus verschiedenen praktischen als auch wissenschaftlichen Disziplinen ihre je ganz eigenen Perspektiven auf das Thema und dessen jeweilige Bezugspunkte ein.

Im ersten Kapitel werden einführend Grundlagen zum Thema Demenz aus medizinischer (▶ Kap. 1.1) und ökogerontologischer Sicht (▶ Kap. 1.2) sowie in Bezug auf die Bedingungen kultureller Teilhabe (▶ Kap. 1.3) dargestellt. Mit dem vierten Beitrag in diesem Kapitel werden außerdem die Entwicklung politischer Rahmenbedingungen und – damit verbunden – die Gesetzgebung sowie bundesweite Strategien und Förderprogramme zur Unterstützung der Teilhabe von Menschen mit Demenz dargestellt (▶ Kap. 1.4). Dieses erste Kapitel bildet die Grundlage, sowohl für die museumspraktischen Beispiele als auch für das zweite Kapitel, in dem ein ausführlicher Überblick über die Möglichkeiten psychosozialer Interventionen bei Demenz gegeben wird (▶ Kap. 2).

Das dritte Kapitel stellt Museen als Orte kultureller Teilhabe für Menschen mit Demenz in den Fokus und adressiert die Entwicklungen sowie Bedingungen, die Museen für solche Angebote anbieten können. Einleitend wird der Forschungsstand im Sinne einer Bestandsaufnahme der derzeit bestehenden Angebote für Menschen mit Demenz in Deutschland dargestellt (▶ Kap. 3.1) – von seinen Anfängen bis zur heutigen Verbreitung – sowie eine Übersicht über die verschiedenen Programmgestaltungen gegeben. Bezug auf die Entwicklungsgeschichte von Angeboten für »besondere Zielgruppen« nimmt auch der zweite Beitrag (▶ Kap. 3.2) in diesem Kapitel, in dem der Fokus auf einen kritischen Umgang mit dem Konzept der Zielgruppen gelegt wird – von exklusiven Zielgruppen hin zu inklusivem Denken wird hier exemplarisch die Entwicklung im Van Abbemuseum in Eindhoven in den Niederlanden aufgezeigt. Zum Umgang mit inklusiven Konzepten und dem Abbau von Barrieren haben wir außerdem Expertinnen aus dem Deutschen Hygiene-Museum in Dresden interviewt (▶ Kap. 3.3).

Im vierten Kapitel geht es konkret um die Planung, Durchführung und nachhaltige Implementierung eines Angebotes für Menschen mit Demenz. Den Anfang stellt ein Beitrag dar, der die Erfahrungen des Lehmbruck Museums in Duisburg, Pionier und Vorreiter für demenzspezifische Museumsangebote in Deutschland, aufzeigt – in Bezug auf beispielsweise den möglichen Ablauf einer Führung oder die Werkauswahl (▶ Kap. 4.1). Einen Blick auf Möglichkeiten der Qualifizierung und Weiterbildung von Kunstvermittler*innen für die Arbeit mit Menschen mit Demenz richtet der zweite Beitrag (▶ Kap. 4.2), in dem entsprechende Programme aufgeführt und in ihren jeweiligen Schwerpunkten vorgestellt werden. Der folgende Beitrag (▶ Kap. 4.3) berichtet – unter Bezugnahme auf ein entsprechendes Forschungsprojekt an der Universität Wien – über die Relevanz einer kontinuierlichen und kritischen Reflexion des eigenen Handelns im Kontext von Angeboten kultureller Bildung für ältere Menschen und Menschen mit Demenz. Die letzten beiden Beiträge in diesem Kapitel widmen sich zwei entscheidenden Aspekten, die über die Möglichkeiten nachhaltiger Implementierung von Museumsangeboten für Menschen mit Demenz entscheiden können: zum einen dem Aufbau und der Pflege tragfähiger Netzwerkstrukturen – am Beispiel des »Landes-Netz-Werks Demenz« in Rheinland-Pfalz (▶ Kap. 4.4), zum anderen dem nicht zu vernachlässigenden und für eine Umsetzung notwendigen Thema der Finanzierungs- und Refinanzierungsmöglichkeiten der Angebote (z. B. über den § 45 des Sozialgesetzbuches XI) (▶ Kap. 4.5).

In Kapitel 5 werden weitere konkrete Einblicke und Anregungen gegeben, wie Museumsführungen für Menschen mit Demenz gestaltet sein können. Zunächst gibt ein Fallbeispiel einer Museumsführung für Menschen mit Demenz einen Einblick, wie diese Führungen inhaltlich und organisatorisch ablaufen können; wie sich z. B. Gespräche über die Objekte entfalten, wie das Ankommen und der Abschied von den Besucher*innen organisiert werden könnten (▶ Kap. 5.1). Anhand der Darstellung des Forschungsprojekts ARTEMIS, in dem das Städel Museum in Frankfurt gemeinsam mit dem Arbeitsbereich Altersmedizin der Goethe Universität spezielle Führungen für Menschen mit Demenz konzipiert und deren Wirkung erforscht hat, wird anschaulich, wie kulturelle Teilhabe und das künstlerische Gestalten gemeinsam mit betreuenden Angehörigen gefördert werden kann (▶ Kap. 5.2). Den Abschluss des Kapitels bilden praxisbezogene Impulse, die als evaluierende Selbstbefragungen an das eigene Angebot, sowohl für die Planungs- als auch für die Durchführungsphase der Angebote verwendet werden können (▶ Kap. 5.3).

Im letzten Kapitel (▶ Kap. 6) des Buches richten wir den Blick über das Kunstmuseum als Ort der kulturellen Teilhabe für Menschen mit Demenz hinaus: zum einen auf Museumsführungen für Menschen mit Demenz in kulturhistorischen Museen in ehemaligen Industriestätten am Beispiel des LVR-Industriemuseums Gesenkschmiede Hendrichs (▶ Kap. 6.1), zum anderen auf kulturelle Teilhabe als Museumsarbeit außerhalb des Museumsraumes anhand mobiler Angebote für Menschen mit Demenz im Westfälischen Landesmuseum für Industriekultur (▶ Kap. 6.2). Den Abschluss bildet schließlich der Blick über die deutsche Angebotslandschaft hinaus in die Niederlande: der Beitrag über das Onvergetelijk-Programm – Museumsführungen für Menschen mit Demenz in den Niederlanden, wissenschaftlich begleitet durch die Vrije Universiteit Amsterdam.

Nach der Lektüre der Beiträge sollte unter anderem auch deutlich werden, dass es das »eine« Konzept für Museumsangebote für Menschen mit Demenz, das sich einfach auf alle Häuser übertragen lässt, nicht gibt. Je nach Sammlungs- und Themenschwerpunkt des Hauses ergeben sich unterschiedliche Möglichkeiten; historische Alltagsobjekte bedingen einen anderen Zugang als beispielsweise abstrakte Kunst und auch die Größe des Hauses sowie der museumspädagogische Leitgedanke sind für die Umsetzung entscheidend. Gleichwohl hoffen wir, Ihnen mit diesem Buch einen Überblick über bestehende Projekte und Angebote sowie viele Anregungen...

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