Gut vernetzt oder abgehängt? - Gelingendes Altern in der digitalen Welt

Gut vernetzt oder abgehängt? - Gelingendes Altern in der digitalen Welt

von: Cornelia Kricheldorff, Hans-Werner Wahl, Hans Förstl, Ines Himmelsbach, Elisabeth Wacker

Kohlhammer Verlag, 2022

ISBN: 9783170403840

Sprache: Deutsch

132 Seiten, Download: 3714 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Gut vernetzt oder abgehängt? - Gelingendes Altern in der digitalen Welt



Vorwort


 

 

»Gelingendes Leben im Alter bedeutet für mich: Ich will auf der Höhe der Zeit bleiben und mit anderen Menschen gut in Verbindung sein. Dafür sind soziale Netzwerke wichtig – analog und digital. Wir haben also im Alter die Wahl: Gut vernetzt oder abgehängt.«1

Altern ist heute ein Prozess, der für viele Menschen länger als die Zeit ihrer Kindheit und Jugend zusammen dauert. Im Hinblick auf ein gutes, gelingendes Altern ist diese lange Lebensphase von den jeweils individuellen biografischen Voraussetzungen und sozialen Bedingungen geprägt. Die Diversität des Alters, also die Vielfalt der Lebensentwürfe und die diesbezüglichen Pläne sind im Kern immer an die Frage geknüpft, wo und unter welchen Gegebenheiten wir altern. Dies bestimmt ganz maßgeblich, wie wir unseren Alltag gestalten können, und hat damit auch Einfluss auf unsere Lebensqualität.

Vor diesem Hintergrund sind sowohl verschiedene kulturelle Prägungen als auch soziale Ungleichheitserfahrungen in Bezug auf Status, Einkommen und Bildung entscheidend für die individuellen Möglichkeiten der aktiven Lebensgestaltung und für die Erfahrung von sozialer Teilhabe und Partizipation im Alter. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Verfügbarkeit digitaler Medien und Technologien geht sowie um die Bereitschaft, diese zu nutzen. Der Achte Altersbericht der Bundesregierung, der sich dem Thema »Ältere Menschen und Digitalisierung« widmet, beschäftigt sich explizit auch mit diesem Aspekt und fordert als Konsequenz insgesamt deutlich verbesserte Voraussetzungen und Zugänge zu digitalen Techniken im Alter (BMFSFJ, 2020, S. 106 f.). Vor der Gefahr einer digitalen Spaltung unserer Gesellschaft (Digital Divide) wird schon seit längerer Zeit gewarnt (van Dijk, 2012; Eherer, 2012).

Insgesamt ist der Prozess des Alterns also mit vielen Entwicklungspotenzialen verbunden, aber auch mit deren Begrenzungen. Er ist gekoppelt mit einer Vielzahl von Lernherausforderungen und -notwendigkeiten, auch um in der aktuellen, schnelllebigen Welt auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Dies gilt ganz besonders für die zahlreichen Veränderungen unserer Umwelt im Zusammenhang mit der fortschreitenden digitalen Entwicklung unserer Gesellschaft – der Kauf einer elektronischen Fahrkarte oder das Online-Banking sind hierfür alltagsrelevante Beispiele.

Die Digitalisierung gehört, ebenso wie auch der demografische Wandel ( Kap. 1.3), in Reichweite und Logik zu den sog. gesellschaftlichen Megatrends. Diese beschreiben »langfristige Entwicklungen mit hoher Relevanz für alle Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft, die sich mit hoher Verlässlichkeit in die Zukunft verlängern‹ lassen. Es handelt sich dabei um zentrale Treiber des Wandels« (zukunftsInstitut, 2020, S. 1).

Diese Charakterisierung von Megatrends trifft auch auf den demografischen Wandel und die Digitalisierung zu. Es sind beides langfristige gesellschaftliche Phänomene, die sich unserem direkten und unmittelbaren Einfluss entziehen und als »Tiefenströmungen der Gesellschaft« wirken, die unser Leben maßgeblich bestimmen und verändern (ebd., S. 2). Damit sind sie feste Einflussgrößen auf unsere aktuelle Gesellschaft des langen Lebens und uns bleibt nur die Wahl zu entscheiden, ob wir im Alter »gut vernetzt oder abgehängt« sein wollen – ganz im Sinne des Titels dieses Buches.

Dieses Buch ist Teil einer neuen Reihe des Kohlhammer Verlags, die sich aus verschiedenen Perspektiven mit der Frage beschäftigt, wie wir dieses »lange Leben leben« können und wie wir es gestalten wollen. Der erste, eher einführende Teil dieses Buches geht der zentralen Frage nach, wie Altern in der digitalen Welt aktuell aussieht und wie sich die Diversität des Alters in der fortschreitenden Digitalisierung als »Treiber«, also als motivierender Einfluss und als limitierender Faktor darstellt. Dabei werden gender- und milieuspezifische Aspekte sowie Veränderungen im familialen und sozialen Umfeld beleuchtet, die insgesamt eine Relevanz für das Altern in der digitalen Welt haben ( Kap. 1). Der zweite Teil, das Kernstück des Buches, skizziert die individuellen Fragestellungen und Herausforderungen im Kontext des Megatrends Digitalisierung und beschreibt, wie sich diese in einzelnen typischen Lebenswelten ganz praktisch zeigen. Weiter wird thematisiert, was dies konkret für den einzelnen älteren Menschen und sein soziales Umfeld bedeutet und welche Bezüge sich dort jeweils zu zentralen Aspekten und Fragen im Kontext der Technisierung unseres Alltags herstellen lassen. Exemplarisch werden die damit verbundenen Chancen und Optionen, aber auch die Herausforderungen, Schwierigkeiten und Hemmnisse beleuchtet. Dies geschieht auf der Basis von Fallvignetten, die für die einzelnen lebensweltlichen Bezüge typische Konstellationen abbilden, beschreiben und damit plastisch machen ( Kap. 2).

Sehr deutlich kommt dabei zum Ausdruck, dass tragfähige soziale Beziehungen und Netzwerke generell wichtige Faktoren für ein gelingendes Leben im Alter sind. Vernetzung ist also auch in analoger, unmittelbarer Form wichtig für ein gelingendes Altern. Durch den gezielten Einsatz digitaler Medien, Technologien und Assistenzsysteme erweitern sich unsere individuellen Möglichkeiten und ihre Reichweite jedoch nochmals erheblich. Denn durch den Einsatz digitaler Technik werden vorhandene Ressourcen im Alter besser nutzbar gemacht und erweitert. So kann das individuelle Erleben von Autonomie positiv beeinflusst werden.

Vor diesem Hintergrund werden im dritten Teil des Buches Denkanstöße mit Blick in die Zukunft skizziert und zusammenfassende Überlegungen formuliert ( Kap. 3). Ein zentraler und leitender Gedanke ist dabei, digitale Technikunterstützung grundsätzlich für alle älteren und alten Menschen zugänglich zu machen und damit mögliche Risiken und Verluste, die im Prozess des Alterns entstehen können, zu verhindern, zu verzögern oder auszugleichen.

Indem relevante Alltagsfähigkeiten unterstützt werden, kann ein möglichst langes Leben in Selbständigkeit für viele Menschen Realität werden. Dazu braucht es ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Selbstorganisation und angemessener Unterstützung durch die soziale Umwelt als Befähigung und Ermöglichung. Das bedeutet, dass auch neue professionelle Aufgabenfelder und Beratungsangebote entstehen müssen – wir brauchen digitale Mittlerinnen und Mittler in der Funktion als Digital Coach oder Brückenbauer und es müssen verstärkt spezialisiert Angebote zur Technikberatung für ältere Menschen und ihre Angehörigen entwickelt werden. Und die Vermittlung digitaler Kompetenzen gehört ebenso dazu wie der Zugang zu technischen Assistenzsystemen, unabhängig von der ökonomischen Situation ihrer Nutzergruppen – beides entscheidende Faktoren für die Vermeidung von Nutzerbarrieren und Problemen bei der Akzeptanz im Kontext des Einsatzes digitaler Technik.

Dieses Buch ist im Rahmen diverser Einschränkungen des sozialen Lebens, von Lockdowns und Kontaktbeschränkungen in der Zeit der Corona-Pandemie entstanden, verbunden mit tiefen Einschnitten in unsere bisherigen Gewohnheiten. Diese Situation führt uns sehr deutlich vor Augen, welche Möglichkeiten und Chancen in der digitalen Vernetzung liegen, wenn direkte Begegnungen und Kontakte nur sehr begrenzt möglich sind. Denn hier wird sehr schnell spürbar, welche Auswirkungen es hat, wenn wir digital abgehängt sind. Dies gilt für den Privathaushalt ohne Internetzugang gleichermaßen wie für Pflegeheime, die ihren Bewohnerinnen und Bewohnern kein W-LAN anbieten können und deren überfordertes Personal auch nicht die Rolle der digitalen Mittler übernehmen kann, obwohl die wichtigen Besuche von Angehörigen und nahestehenden Menschen fehlen und eine entsprechende Substitution dringend notwendig wäre. Das führt zum Erleben von Isolation und zur schmerzlichen Erfahrung, sich abgehängt zu fühlen.

Vor diesem Hintergrund will das Buch keine Anleitungen zum Umgang mit technischen Produkten und Systemen vermitteln. Dieses Technikwissen und die damit verbundenen Kompetenzen werden in besserer Weise über Produktanleitungen und über geschulte Technikberaterinnen und -berater in speziellen Beratungsstellen für ältere Menschen, Seniorenbüros sowie bei kommerziellen IT-Anbietern vermittelt. Vielmehr will es aufzeigen, wo bereits einerseits Handlungsoptionen bestehen, sich andererseits jedoch Handlungsbedarf auftut, dringend nachzusteuern – auf der gesellschaftlichen und persönlichen Ebene. Dort, wo wir in unserem persönlichen Umfeld Einfluss haben, sollten wir diesen auch wahrnehmen. Dies gilt sowohl im professionellen Kontext, beispielsweise im sozialen, pflegerischen und gerontologischen Bereich, als auch im privaten Umfeld, in der Familie, in der Nachbarschaft.

»Gut vernetzt oder abgehängt« muss zum persönlichen Motto werden, das unser Handeln...

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