Männer*, Männlichkeiten, Männer*gesundheit - Wie gehen Männer* mit Gesundheit im Alltag um? - Eine Genderpespektive

Männer*, Männlichkeiten, Männer*gesundheit - Wie gehen Männer* mit Gesundheit im Alltag um? - Eine Genderpespektive

von: Frank Luck

Hogrefe AG, 2021

ISBN: 9783456961330

Sprache: Deutsch

200 Seiten, Download: 3308 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Männer*, Männlichkeiten, Männer*gesundheit - Wie gehen Männer* mit Gesundheit im Alltag um? - Eine Genderpespektive



4 Männer*, Männlichkeit(en) und Gesundheit(shandeln): Forschungsstand

Das Kapitel 4 basiert auf einer Erweiterung und Aktualisierung von Inhalten aus dem Schweizerischen Nationalforschungsprojekt (SNF-Projekt) „Wie gehen Männer im Alltag mit Gesundheit um? Eine empirische Untersuchung zum Zusammenhang von Gesundheitshandeln von Männern im mittleren Lebensalter und Männlichkeit( skonstruktionen)“ unter der Leitung von Prof. Dr. Andrea Maihofer sowie Prof. Dr. Elisabeth Zemp Stutz und den wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen Dr. Diana Baumgarten, Dr. Nina Wehner (heute Prof. Nina Wehner) sowie Frank Luck (SNFProjektlaufzeit: 2012–2014).

4.1 Männer* – Männlichkeit(en) – Gesundheit(shandeln): Einleitung

Weltweit besteht ein ‚Gender Gap‘ (Kirby et al., 2002, S. 11) in der Lebenserwartung und Sterblichkeitsrate zwischen Männern* und Frauen* – zu Ungunsten der Männer* (WHO, 2019). Das gilt auch für die Schweiz: Auch hier leben Männer* durchschnittlich etwa vier Jahre kürzer als Frauen* (BFS, 2019) und „[…] haben von der Geburt bis zum Alter von über 100 Jahren eine höhere Sterblichkeit als Frauen“ (BFS, 2017, S. 27). Diese höhere Sterblichkeit kommt überwiegend durch verhaltensbedingte Ursachen zustande: Männer* weisen ein stärkeres gesundheitliches Risikoverhalten auf (Alkohol-, Tabak-, Drogenkonsum, Verhalten im Straßenverkehr und Sexualleben), nehmen weniger Vorsorgeuntersuchungen wahr, setzen sich größeren körperlichen Belastungen aus (Beruf, Sport) und suchen weniger oder erst spät ärztliche Hilfe (BAG, 2008; European Commission, 2011; Mahalik, Burns & Syzdek, 2007; Mokad, Marks, Stroup & Gerberding, 2004).

Zur Erklärung dieses bei Männern* häufiger verbreiteten Verhaltens kommen in letzter Zeit zunehmend Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Männlichkeit in den Blick. Dabei wird in den Gesundheitswissenschaften vermehrt auf sozialkonstruktivistische Konzepte von Geschlecht (‚gender‘) und Männlichkeiten (‚masculinities‘) aus der Geschlechter- bzw. Männer*- und Männlichkeitsforschung zurückgegriffen, wie z. B. Connells Konzeption „hegemonialer Männlichkeiten“ (vgl. Connell, 2015) sowie Bourdieus „Geschlechtshabitus“ (Bourdieu, 2005). Geschlecht wird darin als eine sozial konstituierte und konstituierende Praxis verstanden, die innerhalb einer historisch spezifischen Geschlechterordnung stetig reproduziert wird. ‚Männlichkeit‘ ist demzufolge keine eindeutige und feststehende Größe, sondern Effekt eines Herstellungsprozesses.

Frühen Untersuchungen aus der Frauen*gesundheitsforschung lag bereits eine ähnliche Konzeption von Geschlecht zugrunde; sie konnten zeigen, dass gesundheitsrelevante Verhaltensweisen als Herstellungsprozesse geschlechlichter Vorstellungen von ‚weiblich‘/‚männlich‘ fungieren können. Diese Perspektive möchte ich in der vorliegenden Dissertation ebenfalls verfolgen. Indem gesundheitsrelevantes Verhalten als vergeschlechtlichtes und zugleich vergeschlechtlichendes Handeln die Perspektive ist, kehrt sich die herkömmliche Blickrichtung auf Gesundheit und Geschlecht um: Gesundheitsrelevantes Handeln wird nicht vorgängig durch Männlichkeit erklärt, sondern als Resultat und Ausgestaltung von Männlichkeits-/Weiblichkeitskonzepten verstanden. Dies bietet fruchtbare Perspektiven auf das Gesundheitshandeln von Männern*. Wenn sich Männer* in ihrem Alltag an Mustern hegemonialer Männlichkeit(en) orientieren und spezifische Formen von Männlichkeit( en) herstellen (müssen), kann dies durchaus mit gesundheitlichen Risiken verbunden sein: Etwa wenn die Notwendigkeit, immer wieder ‚Stärke‘, ‚Härte‘ und ‚Autonomie‘ demonstrieren zu müssen, angesichts von psychischen oder physischen Krankheiten oder steigendem Lebensalter schwer zu realisieren bzw. in hohem Masse schädlich für die eigene Gesundheit ist. Allerdings lässt sich auch fragen, inwieweit neue Vorstellungen von Männlichkeit zu finden sind, die ein gesundheitsförderliches Handeln als Bestandteil von Männlichkeit beinhalten (können) und produktive Ansatzpunkte für eine Neugestaltung von Gesundheitsversorgung und Gesundheitspolitik sein könnten.

4.2 Männer*gesundheitsforschung – eine junge Disziplin im deutschsprachigen Kontext

Trotz zunehmender Angleichung der Lebensverhältnisse sind die Lebenserwartungen sowie Lebensumstände von Frauen* und Männern* noch immer unterschiedlich. Fragen rund um die Gesundheit von Männern* sind aus diesem Grund von wachsender Aktualität und Brisanz. Bei der Männer*gesundheitsforschung handelt es sich allerdings, insbesondere im deutschsprachigen Kontext, um eine vergleichsweise junge Disziplin (vgl. Dinges, 2010).

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