Hilfsmittel, Assistive Technologien und Robotik - Selbstständigkeit und Lebensqualität im Alter erhalten

Hilfsmittel, Assistive Technologien und Robotik - Selbstständigkeit und Lebensqualität im Alter erhalten

von: Barbara Klein, Johannes Pantel, Rupert Püllen

Kohlhammer Verlag, 2020

ISBN: 9783170312487

Sprache: Deutsch

170 Seiten, Download: 4876 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Hilfsmittel, Assistive Technologien und Robotik - Selbstständigkeit und Lebensqualität im Alter erhalten



2          Sehen: Selbstständigkeit erhalten – Vom Licht über die Lupe bis zur App


 

 

 

Gerade das Sehvermögen wird durch den Alterungsprozess stark beeinflusst. Neben altersbedingten Sehveränderungen wie z. B. der Altersweitsicht entstehen mit zunehmendem Alter häufig auch Augenerkrankungen wie beispielsweise der Graue Star, der sicherlich die bekannteste dieser Krankheiten ist. Um sich trotz einer solchen Erkrankung, die das Sehvermögen stark einschränken kann, gut im Alltag zurechtzufinden, gibt es unterschiedliche Hilfsmittel und Strategien, die das Sehen erleichtern und unterstützen können. Im folgenden Kapitel werden Zahlen und Fakten rund um altersbedingte Veränderungen der visuellen Wahrnehmung dargestellt, einige der am häufigsten auftretenden Augenerkrankungen vorgestellt und ein Überblick über die Hilfsmittel gegeben, die den Alltag mit Seheinschränkungen oder Blindheit erleichtern können.

2.1       Zahlen, Daten und Fakten rund um das Sehen und altersbedingte Veränderungen


Ab etwa Mitte 40 macht sich der normale Alterungsprozess der Augen bemerkbar. Dann haben Elastizität und Kraft des Augenmuskels stark abgenommen, was sich auf die Nahsicht, jedoch nicht auf die Fernsicht auswirkt. Das Nachlassen der Akkommodationsfähigkeit, also das Umschalten zwischen Nah- und Fernsicht, wird Presbyopie bzw. Alterssichtigkeit genannt. Bemerkt wird es dann, wenn die Arme beim Lesen immer kürzer zu werden scheinen und man die Tageszeitung oder das Buch nicht mehr weit genug von den Augen weghalten kann, um deutlich zu lesen (Mehrle 2010, S. 13).

Im Vergleich zu einem 20-jährigen kann ein 65-jähriger Mensch in der Regel nur noch 30 % des Lichts nutzen. Auch die Adaption – also die Anpassungsfähigkeit des Auges von hell auf dunkel – lässt nach (Heske 2013, S. 69): So benötigt ein 70-jähriger Mensch die dreifache Zeit im Vergleich zu einem 25-jährigen, um die Augen an Dunkelheit zu gewöhnen. Die Blendungsempfindlichkeit im Auge nimmt durch altersbedingte Eiweißverklumpungen und der damit einhergehenden Streulichtbildung in Hornhaut, Linse oder Glaskörper zu. Die Tiefenwahrnehmung verändert sich infolge der veränderten Akkommodationsfähigkeit und Linsentrübung (Heske 2013, S. 69). Weitere altersbedingte Veränderungen betreffen die Sehschärfe, eine andere Farbwahrnehmung durch die Eintrübung und gelbliche Färbung der Linse, verändertes Kontrastsehen und die Einengung des Gesichtsfelds (BAGSO et al. 2015, S. 24). Beim Sehen mit beiden Augen beträgt das Gesichtsfeld eines Menschen 180 Grad. Das ist der Bereich, der bei ruhig gestellten Augen und ohne Kopfbewegung überblickt werden kann. Mit zunehmendem Alter wird das Gesichtsfeld kleiner und es kann bei den verschiedenen Augenerkrankungen zu unterschiedlichen Gesichtsfeldeinschränkungen bzw. -ausfällen kommen.

Eine Folge dieses veränderten Sehens ist, dass Kontraste nicht mehr gut wahrgenommen werden können, was z. B. dazu führen kann, dass einfarbige Treppenstufen nicht unterschieden werden können und die Sturzgefahr dadurch deutlich erhöht wird.

Die häufigsten Augenerkrankungen im Alter sind der (senile) Katarakt (Grauer Star) mit 16 %, mit 9 % die altersbedinge Makuladegeneration (AMD), die die Stelle des schärfsten Sehens (Makula, auch Gelber Fleck genannt) der Netzhaut verändert und zu starker Sehbehinderung bis hin zur Erblindung führen kann, und das Glaukom (Grüner Star) mit 3 %. Eine weitere Rolle spielen auch Netzhautschädigungen und die diabetische Retinopathie als Spätfolge einer Diabeteserkrankung mit 3 % (Tesch-Römer und Wahl 2012, S. 407).

Die häufigsten Erblindungsursachen in Deutschland und allen Industrieländern sind die altersbedingte Makuladegeneration, das Glaukom und die diabetische Retinopathie (Finger et al. 2012, S. 484).

Die Prävalenz von Blindheit und Sehbehinderung schwankt im Zeitverlauf; seit 2013 kann wieder ein leichter Rückgang beobachtet werden (Statistisches Bundesamt 2017, S. 22; Finger et al. 2012, S. 484). Finger et al. führen den Rückgang der Prävalenz, der sich bei der Analyse der Daten des Blindengeldarchivs des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) von 1978 bis 2006 zeigte, auf die bessere augenärztliche Versorgung zurück (ebenda, S. 484 ff.).

2.2       Das Modell des visuellen Leistungsvermögens


Anne L. Corn (Gerhold 2008, S. 21) entwickelte in den 1980er Jahren ein Modell des visuellen Leistungsvermögens, das drei Dimensionen umfasst.

Die 1. Dimension sind die visuellen Fähigkeiten – also die Sehschärfe, das Gesichtsfeld, die Motilität9, die Hirnfunktionen und die Licht- und Farbwahrnehmung. Die 2. Dimension beschreibt die individuellen Voraussetzungen mit der Kognition, der sensorischen Entwicklung und Integration, der Wahrnehmung sowie der psychischen und physischen Konstitution. Die 3. Dimension bilden die visuellen Außenreize, die sich auf die Umweltbegebenheiten wie Farbe, Kontrast, Zeit, Raum und Beleuchtung beziehen.

»Zeit (Häufigkeit, Dauer und Geschwindigkeit von Darbietungen), Raum (Größe, Struktur, Beziehungen von Objekten zueinander, Umrisse und Gliederung des Raums), Beleuchtung (Menge und Art des Lichts, das von Objekten reflektiert wird und direkt in die Augen fällt). Jede dieser drei Dimensionen muss in einem bestimmten Umfang vorhanden sein, damit Sehaufgaben überhaupt erfüllt werden können. Gibt es Defizite in einer oder mehreren Dimensionen[,] kann man versuchen, diese durch Verbesserungen in einer oder mehreren anderen Dimensionen auszugleichen.« (blista 2016, S. 14)

Bei den Farben kommt es auf den Farbton, die Farbsättigung und die Klarheit der Farbe an. Diese Faktoren bestimmen auch, wie ein sehbehinderter Mensch Farbe wahrnehmen kann.

Generell gilt, dass die Erkennbarkeit eines Objekts stark reduziert ist, wenn die Leuchtdichte und der Farbkontrast gering sind. Hohe Leuchtdichtekontraste10 sind bedeutsam für Personen mit farbgestörtem Sehen. Unterstützt wird das Sehen dabei von einem gleichmäßigen Beleuchtungsstärkeniveau im Bereich der mittleren Leuchtdichte (BMG 1996). Neben Hell-Dunkel-Kontrasten (z. B. Weiß auf Schwarz) können Farbkontraste zusätzliche Orientierungshilfen bieten (vgl. dazu die Aufstellung in BMG 1996, S. 28 ff.).

So kann z. B. Geschirr mit Farbkontrast auf einem hellen Untergrund (etwa einer weißen Tischdecke) den angemessenen Umgang damit erleichtern. Auch eine farbige Toilettenbrille, die im Kontrast zur hellen Toilette ist, kann hilfreich sein.

Klare Kontraste und Blendschutz an Fenstern können das Auge auf eine bestimmte Helligkeit anpassen und gutes bzw. besseres Sehen ermöglichen. »Glänzende Oberflächen, Wand- oder Bodenbeläge sind wegen eventueller Reflexbildung zu vermeiden. Deckenleuchten mit indirekter Beleuchtung, bei denen man die Lampen nicht direkt sieht, sind von Vorteil, da dadurch Reflektionen vermieden werden.« (Mauritzen und Kamps 2013, S. 85).

Eine kontrastreiche Farbgebung erleichtert die Orientierung: Türrahmen im Kontrast zur Wand, farbige Lichtschalter auf weißer Wand sind Gestaltungsbeispiele wie auch Markierungen an der ersten und letzten Stufe von Treppen (mind. 8 cm in Weiß, Gelb oder Grün bei dunklen Treppen) sowie ein geeigneter Leuchtdichtekontrast, sodass die Stufen erkannt und damit die Sturzgefahr minimiert wird. Hier sollte man sich entsprechend beraten lassen.

2.3       Licht


Licht oder Beleuchtung ist einer der wichtigsten Aspekte der 3. Dimension des Modells des visuellen Leistungsvermögens. 60-Jährige habe einen viermal so hohen Lichtbedarf wie 20-Jährige (Heske 2013, S. 66). Eine gute Beleuchtung ist daher eine wesentliche Voraussetzung, um ein selbstständiges Leben führen zu können. Licht gilt als eines der wichtigsten Hilfsmittel für Menschen mit Seheinschränkungen. Die verschiedenen Lichtquellen haben jeweils Vor- und Nachteile und müssen individuell an die jeweiligen Anforderungen angepasst werden. »Eine gute Beleuchtung zeichnet sich durch Blendungsfreiheit, gleichmäßige Ausleuchtung, angenehme und genügend Helligkeit aus.« (Mauritzen und Kamps 2013, S. 80). Es wird unterschieden zwischen der Beleuchtung für das Lesen und Arbeiten im Nahbereich und der Ausleuchtung eines Raumes zur Orientierung. Eine optimierte Beleuchtung zum Beispiel mit einer ergänzenden Nahbeleuchtung zu den allgemeinen Raumlichtbedingungen kann unter Umständen dazu beitragen, dass der Vergrößerungsbedarf reduziert werden kann (Mauritzen und Kamps 2013, S. 83).

Da Sehbehinderungen sehr...

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