Pflege von Menschen mit Parkinson - Praxisbuch für die häusliche und stationäre Pflege

Pflege von Menschen mit Parkinson - Praxisbuch für die häusliche und stationäre Pflege

von: Georg Ebersbach

Kohlhammer Verlag, 2016

ISBN: 9783170297531

Sprache: Deutsch

123 Seiten, Download: 5415 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Pflege von Menschen mit Parkinson - Praxisbuch für die häusliche und stationäre Pflege



 

2          Pflegerische Besonderheiten bei Menschen mit Parkinson


Ilona Csoti, Georg Ebersbach, Hans-Jürgen von Giesen, Kirsten Graf-Stoof, Tobias Mai


 

 

Auch psychosoziale Aspekte beachten

In diesem Abschnitt werden neben pflegerischen Besonderheiten auch psychosoziale Aspekte der Versorgung von Menschen mit Parkinson und die Situation der Angehörigen angesprochen. Viele Menschen mit Parkinson bevorzugen gegenüber der Bezeichnung »Patient« den Begriff »Betroffene«, da sie sich eher behindert als krank wahrnehmen. Der Begriff Betroffene ist auch besser geeignet, den Blick von einzelnen medizinischen Symptomen mehr auf eine ganzheitliche Betrachtungsweise der Lebenssituation von Menschen mit Parkinson zu lenken. Chronisch kranke Menschen haben immer auch gesunde Anteile in ihrem Leben. Zudem sind Angehörige in gewisser Form ebenfalls Betroffene, die im Blickpunkt der Pflege stehen sollten.

2.1       Kommunikation und Verhalten


Im Kontakt mit Menschen mit Parkinson gibt es eine Reihe von Besonderheiten, die für Angehörige, Pflegende und andere Bezugspersonen zunächst ungewohnt und manchmal schwer verständlich sind.

Tipp

Folgende Hinweise können die Kommunikation bei Parkinson erleichtern:

•  Vermeiden von Gesprächen mit mehreren Personen.

•  Nebengeräusche minimieren (Fernseher und Radio ausschalten, offenes Fenster schließen).

•  Den Betroffenen Hilfen anbieten (Papier und Stift, um Dinge zu notieren, pacing boards, Zeigealphabete etc.).

•  Hypomimie und Akinese richtig deuten und nicht als Desinteresse, Depressivität oder Ablehnung interpretieren.

•  Wertschätzung entgegenbringen (Betroffenen schämen sich bspw. aufgrund von Dyskinesien oder Speichelfluss).

•  Zeit lassen, geduldig sein.

•  Nicht ins Wort fallen, ausreden lassen.

•  Fragen so stellen, dass kurze Antworten möglich sind; verwenden von Ja/Nein-Fragen.

•  Patienten bei der Anrede/Unterhaltung in die Augen schauen.

•  Patient in aufrechte Sitzposition vor Gesprächsbeginn bringen.

•  Auf Atemtechnik achten.

•  Patienten langsam und deutlich ansprechen.

•  Patienten auffordern, langsam, deutlich und laut zu sprechen, wiederholen lassen.

Phasenhafte Änderungen des Zustands

Im Verlauf einer chronischen Erkrankung wechseln sich oft verschiedene Phasen ab. Bei Parkinson sind diese Phasenwechsel besonders häufig und eindrucksvoll. Während der Krankheitsverlauf langfristig immer chronisch progredient ist, können zeitweise auch über Monate und oder sogar Jahre anhaltende Perioden der Stabilisierung oder Erholung eintreten. Auch die Tagesform der Betroffenen kann Schwankungen unterliegen, ohne dass sich dies immer schlüssig auf äußere Ursachen zurückführen lässt. Besonders eindrucksvoll sind die kurzfristigen Wirkungsschwankungen der Medikamente, die innerhalb von Minuten zu extremen Zustandsänderungen führen können.

Veränderungen der »Körpersprache«

Nonverbale Formen der Kommunikation wie Mimik, Gestik, Sprachmelodie sind für den Gesunden eine Selbstverständlichkeit und ein wichtiger Teil seines Ausdrucksverhaltens. Ohne bewusstes Nachdenken werden auf diese Weise Gefühle wie Ärger, Freude oder Zuneigung kommuniziert. Das Nachlassen nonverbaler Reaktionen bei Menschen mit Parkinson löst im Kontakt oft Unsicherheit oder Befremden aus (»Interessiert der sich überhaupt dafür, was ich sage?«, »Der bekommt ja gar nichts mit!«). Häufig führt die verminderte Mimik und Gestik dazu, dass Betroffene irrtümlich als abgestumpft, verärgert oder traurig eingeschätzt werden.

Verminderte Flexibilität

Oft berichten Betroffene schon im Frühstadium der Parkinson-Erkrankung, dass sie Probleme bei der Bewältigung unerwarteter Situationen haben. Dies führt zu verminderter Stresstoleranz, »normale« Belastungen lösen »übertriebene« Angst und Aufregung aus. Das im modernen Alltag häufig geforderte »Multitasking« ist für Menschen mit Parkinson manchmal nicht zu bewältigen. Um Frustrationen zu vermeiden, sollte Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden, ihre Aufgaben und Probleme mit einem selbst gewählten Tempo und sukzessive (Schritt für Schritt) zu lösen.

Bei verminderter geistiger Flexibilität problematisch (sollte bei Parkinson-Patienten möglichst vermieden werden):

•  Unerwartete Situationswechsel,

−  Zimmertausch im Krankenhaus,

−  Verschiebungen von Terminen,

−  Unangekündigte Besuche/Untersuchungen,

•  Ständig wechselnde Ansprechpartner,

•  Wechselnde Essens- und Visitenzeiten,

•  Unvorhersehbare Wartezeiten.

2.2       Umgang mit der Diagnose und Krankheitsfolgen


Diagnose oft ein Schock

Viele Betroffene erleben die Diagnosestellung als eine Art Schock. Häufig wird versucht, einen Zusammenhang zwischen Erkrankung und einem Ereignis herzustellen. Vor allem jüngere Patienten suchen intensiv nach Gründen für ihre Erkrankung und werden von Alternativtherapien angezogen. Sie fühlen sich kränker, als sie tatsächlich sind, und benötigen multiprofessionelle Aufklärung und Beratung. Zu Beginn der Erkrankung wünschen sich viele Betroffene Antworten auf Fragen nach einer Prognose und zur Zukunft, die zu diesem Zeitpunkt nicht mit ausreichender Sicherheit gegeben werden können. Dagegen können Pflegekräfte die Erkrankten darin unterstützen, ihre Diagnose nicht zu verheimlichen, sondern sich zusammen mit der Familie aktiv mit dem Parkinsonsyndrom auseinanderzusetzen.

Soziale Einschnitte und der Verlust von Rollen

Besonders bei jüngeren Betroffenen ist die berufliche Tätigkeit von großer Bedeutung. Viele Betroffene werden vorzeitig berentet, was meist gravierende finanzielle Folgen hat. Obwohl es im Einzelfall meist nicht möglich ist, eine genaue berufliche Prognose zu stellen, sollte den Patienten empfohlen werden, rechtzeitig Arbeitsbedingungen anzustreben, die auch bei fortschreitender Krankheitsentwicklung noch zu bewältigen sind.

Für die Berufsausübung bei Parkinson wichtige Aspekte

•  Vermeidung von Dauerstress,

•  Vermeidung häufig und rasch wechselnder Aufgabenstellungen,

•  Ausschluss von Sicherheitsrisiken (Sturzgefährdung, Stanzgeräte etc.),

•  Keine berufliche Personenbeförderung, keine LKW,

•  Keine überlangen Arbeitszeiten, angepasstes Arbeitstempo.

Das Aufrechthalten von Rollen wird durch fortschreitende Funktionseinbußen und auch durch die – möglicherweise dadurch bedingten – Übernahmen von Aufgaben im Alltag durch die Partner oder die Kinder erschwert. Parkinsonbetroffene Frauen geben in diesem Zusammenhang das Aufgeben der Rolle als haushaltsführende Kraft als belastend an. Hinzu kommen Einschränkungen in der Kommunikation mit dem sozialen Umfeld und ein beschämtes Selbstbild. Mütter berichten von dem Gefühl, ihren Kindern nicht alles geben zu können. Stattdessen unterstützen die Kinder die betroffenen Mütter im Alltag.

Einschränkungen bei Freizeitaktivitäten

Auch körperliche und kognitive Einschränkungen bei Freizeitaktivitäten können die Lebensqualität beeinträchtigen. Dabei wird vor allem das Autofahren von vielen Menschen als Maßstab für Unabhängigkeit gesehen. Bestehen Zweifel an der Fahrtauglichkeit, sollte eine sogenannte »Fahrverhaltensprobe« in einer entsprechend qualifizierten Fahrschule durchgeführt werden.

Bereiche mit häufigem Beratungsbedarf

In folgenden Bereichen benötigen Betroffene häufig einfühlsame und kompetente Beratung

Bewältigung von Tätigkeiten des täglichen Lebens

•  ADL (»Activities of daily living«) wie Waschen, Anziehen etc.

Anpassung des Lebensentwurfs

•  Zukunftspläne, berufliche Karriere, Rolle in der...

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