Julian und sein Großvater - Fragen eines Jungen an einen aus seiner Sicht schon sehr alten Mann

Julian und sein Großvater - Fragen eines Jungen an einen aus seiner Sicht schon sehr alten Mann

von: Ulf Häusler

Pro BUSINESS digital printing, 2016

ISBN: 9783864602436

Sprache: Deutsch

279 Seiten, Download: 1691 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

geeignet für: geeignet für alle DRM-fähigen eReader geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Julian und sein Großvater - Fragen eines Jungen an einen aus seiner Sicht schon sehr alten Mann




Schule und Beruf


 

Es kommt zugegebenermaßen sehr selten vor. Aber manchmal passiert es dann doch – ich habe das seltene Vergnügen, mit dem nun schon bald 11-jährign Julian einen ausgedehnten Spaziergang zu machen. Erst wollte er gar nicht mit mir raus an die frische Luft, aber er wusste ja, dass ihm mein PC nicht davonlaufen würde, dass die Omami kochen wollte und so war er bereit, die kleine Wanderung rund um unser Erzbach mitzumachen. Zumal ihm auch klar war, dass er auf seine Spielkonsole bei uns verzichten musste. Er hatte auf das Ding fast ein halbes Jahr eisern gespart, sich bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten immer Geld als Geschenk gewünscht, um die ersehnte Investition in Höhe von 400 Euro tätigen zu können.

Und so fängt er, als wir die steile Straße bei uns hochgehen – sie mündet in einem Feldweg – seit längerem mal wieder an, Fragen zu stellen.

„Bist Du auch mit 6 Jahren in die Schule gekommen?  Oder warst Du auch schon 7, so wie ich?

Na, Du warst ja ein sogenanntes ‚Kann-Kind‘, d.h. Du hättest schon mit 6 gedurft, aber weil Du erst ein paar Wochen nach Einschulungsbeginn 6 geworden warst, durftest Du ein Jahr warten, weil Mama und Papa das lieber wollten. Aber normalerweise, beginnt das Schüler-Dasein mit 6. Bei mir ging es mit 6 Jahren los.

Und wie bist Du jeden Tag in die Schule gekommen – wurdest Du auch immer hingebracht und wieder abgeholt?

Ich kam ja erst einmal in die sog. Volksschule. Die war etwa 20 Minuten Fußweg von unserm Haus entfernt. In den ersten Tagen wurde ich natürlich von meiner Mutter immer hingebracht und entweder von ihr oder Hilla auch wieder abgeholt. Aber schon nach kurzer Zeit wollte ich den Weg alleine gehen. Und das durfte ich auch. Später habe ich dann erfahren, dass Mutter oder Hilla morgens so etwa 200 m hinter mir nach dem rechten schauten und mittags stand einer von ihnen in sicherer Entfernung, ob ich auch alles richtigmachte. Aber das haben sie höchstens noch 4 Wochen lang gemacht.

„Ist ja voll ätzend gewesen. Wie viel Kinder wart Ihr in Eurer Klasse?

„Du, das weiß ich offen gestanden nicht mehr. Aber ich schätze mal so 20–25 Jungs werden es schon gewesen sein. Die Mädchen gingen in eine andere Klasse. Gemeinsamen Unterricht gab es damals nämlich noch nicht. Das gab es erst später in Rosche auf der Dorfschule. Ich habe Dir ja schon erzählt, dass ich da mit 8 Jahren im Krieg hinkam. Und das schönste war, dass man die Mädchen so schön ärgern konnte. Die trugen damals noch Zöpfe. Und auf den Schulpulten gab es noch richtige Tintenfässer. Und ich fand immer, dass dunkelblaue Zopfspitzen viel besser aussahen als strohblonde.

Julian lacht bei dem Gedanken an blaue Mädchenzöpfe.

Wer waren Deine besten Freunde? Hast Du noch Kontakt zu Ihnen?

In Kassel, wo ich zuerst eingeschult wurde, war es der Arnold Leicher. Und später in Rosche wurde es Werner Cordes, wie ich Dir ja schon mal erzählt habe.

Arnold habe ich später immer besucht, wenn ich in Kassel zu meinen Eltern fuhr. Später wurde Arnold dann sehr krank und starb bald darauf. Er hatte noch 2 Brüder und eine Schwester, die einen Inder geheiratet hatte. Und da hat er sich in Indien bei einem Besuch eine schwere Gelbsucht zugezogen. Die Leber war dann so kaputt, dass er daran gestorben ist.

Und in der Zeit in Rosche hatte ich den Werner Cordes zum Freund. Als wir nach dem Krieg wieder in Kassel waren, ist der Kontakt zu ihm ziemlich abgerissen. Ich habe ihn erst Jahrzehnte später noch einmal gesprochen, als Omami und ich noch einmal nach Rosche fuhren. Wir haben uns beide sehr, sehr gefreut über das Wiedersehen und uns volle zwei Stunden erzählt, wie es uns in all den Jahren ergangen ist. Das war richtig schön. Als wir dann wieder zu Hause waren, bekam ich ein paar Wochen später die Nachricht, dass er auch gestorben ist. Er hatte zwar erzählt, dass er es etwas mit dem Herzen‘ hätte, das aber ziemlich heruntergespielt. Sein Herzleiden war offenbar doch viel schlimmer, als er es zugegeben hatte.

 

„Musstet Ihr auch immer jeden Tag in die Schule und hattet nur am Samstag und Sonntag frei?“

„Von wegen. Vor dem 2. Weltkrieg und während des Krieges hatten wir auch an den Sonnabenden Schule. Und nach dem Krieg in den ersten Jahren auch wieder, dann wechselte es auf alle 14 Tage Samstagsunterricht und schließlich wurden die Samstage dann ganz schulfrei gestellt, so wie Du es kennst.“.

Was hat Dir an der Schule denn am besten gefallen?

Wenn ich ganz ehrlich bin, gar nichts. Ich mochte Schule nie besonders gern. Erst sehr viel später entdeckte ich dann meine Liebe‘ für Deutsch, Sozialkunde, Musik und eingeschränkt auch für Englisch. Die naturwissenschaftlichen Fächer wie Mathematik, Physik, Chemie mochte ich überhaupt nicht und Latein fand ich auch nicht so toll.

„Und musstest Du auch so lange auf die Schule gehen und Abi machen?“

„Klar. Ich war ab der 5. Klasse, das war dann schon nach dem Kriege, auf der Wilhelm-Schule in Kassel, das war ein Realgymnasium für Jungen, wo mein 5 Jahre älterer Bruder auch zur Schule ging.

Ein guter Schüler bin ich nie gewesen, irgendwie hatten mir die Penne und ihre Pauker bis auf die genannten Fächer nie auch nur die geringste Freude gemacht. Und richtig faul war ich meistens auch noch. Zweimal jährlich war ein Blauer Brief an meine Eltern fällig mit der Ankündigung, die Versetzung scheine gefährdet oder sei ausgeschlossen. Das wurmte mich maßlos und setzte jeweils ungeahnte Kräfte in mir frei, so dass ich dann doch immer noch gerade so eben versetzt werden konnte. Ich entwickelte mich also zum klassischen Saisonarbeiter‘, was vor allem meine Lehrer ziemlich ärgerte.

Und in der Obersekunda, also 3 Jahre vor dem Abi, war es dann so weit: Ich bekam – o Wunder – zum letzten Quartal vor der Versetzung in die Unterprima keinen Blauen Brief und dachte mir, dass es dann ja so schlecht um mich nicht stehen könne. Pustekuchen – die Herren Lehrer waren es einfach leid mit mir und ließen mich mit voller Absicht reinrasseln: Ich wurde nicht versetzt, sondern musste die Klasse wiederholen.

Das war zwar alles juristisch nicht einwandfrei und hätten meine Eltern geklagt, wäre es für die Lehrerschaft wohl nicht gut ausgegangen und ich wäre doch versetzt worden.

Aber meine Eltern waren dafür viel zu klug und so wiederholte ich die Klasse.

Ich war dann etwas besser dran, hatte aber schon aus sportlichem Ehrgeiz meine Auffassung zur Schule nicht geändert. Mit der Folge, dass ich zwar in den nächsten beiden Klassen ganz manierlich über die Runden kam, aber in Mathe, Physik und Chemie war mit mir kein rechter Staat zu machen und da ich in Latein auch nicht gerade eine Leuchte war, blieben nur Deutsch, Sozialkunde und Musik, wo ich so gut war, dass ich die anderen Mängel ausgleichen konnte. Nur; es war immer verflixt knapp und somit auch das bevorstehende Abi keineswegs eine sichere Bank‘.

Aber ich habe es dann doch geschafft – zwar hatte ich keine sehr gute Abi-Note, aber zum Studieren reichte es ja. Mehr erzähl ich Dir besser nicht, denn Du solltest Dir da Deinen Großvater da lieber nicht zum Vorbild nehmen.

Julian blickt seinen Großvater voller Bewunderung an – meint der wenigstens – und fragt dann gleich weiter: „Kannst Du mir doch erzählen. Mir macht die Schule doch meistens Spaß. Ich lese jetzt ja sogar gerne. Also, wie war das da genau?“

„Nö, erzähl ich Dir jetzt nicht. Wenn Du es wirklich genauer wissen willst: Ich...

Kategorien

Service

Info/Kontakt