Als die Kaffeemühle streikte - Geschichten zum Vorlesen für Demenzkranke

Als die Kaffeemühle streikte - Geschichten zum Vorlesen für Demenzkranke

von: Ulrike Strätling

Brunnen Verlag Gießen, 2016

ISBN: 9783765574054

Sprache: Deutsch

128 Seiten, Download: 686 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Als die Kaffeemühle streikte - Geschichten zum Vorlesen für Demenzkranke



Küchengeschichten


Eine Kaffeetasse erzählt


Glauben Sie mir, ich habe es auch nicht immer leicht gehabt. Genau wie bei Ihnen ging es mal rauf und mal runter im Leben. Harte und schlechte Zeiten, gute und schöne Zeiten, aber man denkt ja gerne an alles zurück.

Ich befinde mich im Besitz einer älteren Dame, die schon etwas zittrig ist. Sie heißt Adelheid und benutzt mich täglich, um ihren Kaffee aus mir zu trinken. Vielleicht sollte man besser sagen schlürfen, denn Adelheid schlürft ihren Kaffee so laut, dass einem die Ohren schmerzen.

Früher waren wir ein ganzes Service und erlebten viele Feiern und Feste. Die Tafel war dann festlich gedeckt und unter uns lag ein feines Damasttischtuch. Ich hörte immer gerne zu, wenn Klatsch und Tratsch das Tischgespräch der Gäste war.

Im Sommer 1952 freundete ich mich mit einem Henkelmann an. Er war nagelneu, jung und hübsch. Wir sahen uns am Abend und hatten dann die ganze Nacht für uns. Tagsüber war er im Bergbau, gefüllt mit Suppe. Deswegen roch er immer etwas streng, wenn er nach Hause kam. Meine Freundin, das Milchkännchen, sagte immer: „Der ist nichts für dich, ihr passt nicht zusammen.“ Und ich antwortete immer: „Halt dich da raus. Kümmere du dich lieber um deinen geliebten Zuckertopf.“

Weihnachten 1953 verlobten wir uns, mein Henkelmann und ich. Wir waren ein schönes Paar, so meinte ich jedenfalls. Doch mein Henkelmann hatte es nicht leicht. Unter Tage, das war kein Zuckerschlecken, da gab es keine Samthandschuhe, da herrschte ein raues Leben. Er bekam Dellen, Kratzer und sah bald nicht mehr so schön aus. „Siehste, das haste nun davon“, sagte meine Freundin, das Milchkännchen.

Doch wahre Liebe kommt von innen. Das bewies auch mein Henkelmann, als mein Blümchenmuster im Laufe der Zeit vom Spülwasser immer blasser wurde. Doch es tat unserer Liebe keinen Abbruch.

Eines Tages kam ein neuer Henkelmann ins Haus. Schön und stattlich, dagegen sah mein alter Henkelmann aus wie … na ja, lassen wir das. Zu der Zeit wurde ich vom übrigen Service ausgesondert und kam in den täglichen Gebrauch. Mein Henkelmann wurde als Vase für die Wiesenblumen benutzt, aber es stand ihm ausgezeichnet. So ist das nun mal, wenn man alt wird. Aber das Leben geht weiter und wir sehen immer nach vorn und machen das Beste daraus. Noch so viele schöne Jahre stehen uns bevor.

Jetzt, wo mein Henkelmann nicht mehr arbeiten muss, sehen wir uns jeden Tag von morgens bis abends. Und wenn Adelheid vergisst, mich in den Schrank zu stellen, sehen wir uns auch nachts. Das ist doch toll, oder?

Tischsitten


Der kleine Jens war gerne bei seinen Großeltern zu Besuch. Opa Heini spielte mit ihm „Mensch ärgere dich nicht“ oder las ihm spannende Geschichten vor. Oma Anni backte Kuchen, und den gab es dann nachmittags am Küchentisch, mit leckerem Kakao. Und genau an demselben, begann Opa Heini dann jedes Mal mit seinen Belehrungen. Kaum saß der kleine Jens, so hörte er auch schon den Opa sagen: „Sitz gerade, Junge.“

So auch an einem Sonntagnachmittag im August. Es war ein schöner warmer Sommer und Oma Anni hatte etwas Erfrischendes gebacken. Es war fünfzehn Uhr und dreißig Minuten, als die drei Platz nahmen.

Opa Heini sagte: „Sitz gerade, Junge, sonst bekommst du später einen Buckel.“

Jens setzte sich so aufrecht, wie es nur ging, damit er endlich anfangen konnte. Jens trank einen Schluck Kakao und Opa Heini sagte: „Nicht schlürfen, mein Junge, sonst bekommst du Luft in den Bauch.“

„Ja, Opa“, sagte Jens höflich.

Opa Heini sagte: „Und die Hände liegen beide auf dem Tisch, neben dem Teller.“

„Ja, Opa“, meinte Jens und legte beide Hände auf den Tisch.

Opa Heini sagte: „Nicht schmatzen, mein Junge, das gehört sich nicht.“

„Nein, Opa. Kann ich endlich essen?“

Opa Heini meinte: „Binde dir die Serviette um, damit du dich nicht bekleckerst.“ Auch das tat Jens.

Oma Anni mischte sich ein und sagte: „Nun lass den Jungen doch endlich essen, er muss doch schon gleich wieder nach Hause.“

Opa Heini sagte: „Er muss Tischsitten lernen, sonst kann er sich später in Gesellschaft nicht richtig benehmen.“

Jens sagte: „Opa, ich habe Hunger.“

Inzwischen zeigte die Küchenuhr sechzehn Uhr an. Opa Heini sagte energisch: „Du sitzt schon wieder krumm. Sitz gerade, so wie es sich gehört.“

Jens nahm eine Gabel voll Kuchen. Doch noch bevor er den Kuchen im Mund hatte, rief Opa Heini: „Halt! Man führt die Gabel zum Mund, nicht den Mund zur Gabel. Warte, ich mache es dir vor.“

Opa Heini beobachtete Jens genau. Er ließ ihn nicht aus den Augen. Doch plötzlich stand er auf und kam kurze Zeit später mit einem Besenstiel zurück.

Verdutzt fragte Oma Anni: „Was hast du vor, Heini?“ „Den bekommt Jens jetzt in den Rücken, unter den Pullover. Dann sitzt er gerade“, sagte Opa Heini und machte sich an Jens zu schaffen. Inzwischen war es sechzehn Uhr und fünfzehn Minuten.

Jens stand auf. „Ich muss nach Hause, Opa. Du kannst meinen Kuchen essen, aber sitz gerade dabei, schmatz nicht, schlürf nicht und führ die Gabel zum Mund. Und außerdem steht man nicht einfach vom Tisch auf und läuft weg, um einen Besenstiel zu holen. Ach ja, und vergiss die Serviette nicht, falls du kleckerst.“ Dann war er fort.

Opa Heini hatte keinen Appetit mehr. Er hatte nur noch ein schlechtes Gewissen.

Das Frühstück


Vor Beginn weisen Sie darauf hin, dass in der folgenden Geschichte einige merkwürdige Dinge zu hören sind, die so nicht stimmen können. Dadurch lenken Sie die Aufmerksamkeit auf die bevorstehenden Fehler. Schlagen Sie vor, dass bei jedem Fehler geklatscht oder „Halt!“ gerufen wird.

Lesen Sie langsam und sehr betont. Wenn der Fehler nicht erkannt wird, wiederholen Sie den Satz noch einmal. Eventuell klatschen Sie auch selbst oder stellen eine Rückfrage.

Edelgard war eine kluge Frau. Und weil sie ihre Klugheit behalten wollte, trainierte sie ständig ihre grauen Gehirnzellen. Sie löste Kreuzworträtsel, lernte Gedichte auswendig und las täglich die Tageszeitung.

Doch einmal, es war an einem Freitagmorgen, kam ihr eine Idee. Es war gerade sieben Uhr und sie wollte sich ein leckeres Frühstück zubereiten. Edelgard nahm sich vor, an diesem Morgen alle Dinge, die sie in die Hand nahm, brauchte oder sah, mal anders zu benennen. Das bringt meine Gehirnzellen ordentlich auf Trab, dachte sie und fing sofort damit an …

„Mh, ich freue mich schon sehr auf mein Mühstück (Frühstück)“, sagte sie und begann zu hantieren. „Nun erst einmal die Futter (Butter) aus dem Mühlschrank (Kühlschrank) holen“, sprach sie und lachte über sich selbst. Sie meinte schmunzelnd: „Lustig hört sich das an. Jetzt nehme ich mir noch Burst (Wurst) und Schlamelade (Marmelade).“ Sie legte alles auf den Küchentisch.

Edelgard ging zum Schrank und holte sich einen Propf (Topf) heraus, um sich ein Ei zu kochen. Dann deckte sie den Küchentisch mit Schnellern (Tellern) und Klassen (Tassen). Schmunzelnd setzte sie den Kaffee auf und holte die Knilch (Milch) aus dem Kühlschrank.

Edelgard nahm auf dem Küchenbuhl (Küchenstuhl) Platz, um in die Tageszeitung zu schauen. Ein interessanter Artikel fesselte sie – und Edelgard vergaß ihr Ei. Nach fünfzehn Minuten fiel es ihr wieder ein. Jetzt war es aber bestimmt gar! Sie meinte: „Nun, jetzt werde ich in Ruhe mühstücken (frühstücken), mein Schrot (Brot) essen und dazu gibt es das harte Ei. Einen guten Appetit wünsche ich dir, Edelgard.“ Und dann biss sie herzhaft in ihr Schrot (Brot).

Als die Kaffeemühle streikte


Oma Luise und Opa Paul lehnten jeglichen modernen Schnickschnack ab. Elektrische Geräte waren für sie Firlefanz und gehörten nicht in ihre Küche. Entsafter, Mixer, Hacker, Pürierer und Eierkocher gab es nicht, es wurde alles, wie anno dazumal, mit der Hände Kraft gemacht.

Jeden Morgen nahm Oma Luise ihre alte Kaffeemühle vom Regal, füllte sie mit frischen Bohnen und mahlte diese zu Pulver. Fröhlich drehte sie die Mühle und pfiff dabei ein Liedchen. Anschließend wurde der Kaffee mit der Hand aufgebrüht. „Das ist immer noch der beste Kaffee“, sagte Oma Luise und fächerte sich den wunderbaren Kaffeeduft zu.

Doch eines Morgens wollte die Kaffeemühle nicht mahlen. Irgendetwas klemmte, sie drehte sich nicht. „Paul, komm doch mal, ich glaube, die Kaffeemühle ist kaputt!“, rief Luise.

Nach einer gründlichen Begutachtung sagte Paul: „Die ist hinüber, wir brauchen etwas Neues.“

„Dann geh und kauf eine neue Kaffeemühle, aber noch heute! Ich habe Kaffeedurst“, antwortete Oma Luise.

Opa Paul runzelte...

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