Essen - Trinken - Verdauen - Förderung, Pflege und Therapie bei Menschen mit schwerer Behinderung, Erkrankung und im Alter

Essen - Trinken - Verdauen - Förderung, Pflege und Therapie bei Menschen mit schwerer Behinderung, Erkrankung und im Alter

von: Helga Schlichting, Annette Damag

Hogrefe AG, 2016

ISBN: 9783456953427

Sprache: Deutsch

136 Seiten, Download: 8864 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Essen - Trinken - Verdauen - Förderung, Pflege und Therapie bei Menschen mit schwerer Behinderung, Erkrankung und im Alter



3. Probleme beim Essen, Trinken und Verdauen (S. 51-52)

3.1 Ursachen und Probleme im Laufe des Lebens In diesem Kapitel sollen Probleme beim Essen und Trinken bei den verschiedenen Personengruppen umfassend erläutert werden. Grundsätzlich können Störungen des Essens, Trinkens Schluckens und der Verdauung die verschiedensten Ursachen haben, z. B.:
•• psychische Erkrankungen (z. B. Magersucht oder Essphobien) neurologische Erkrankungen (z. B. nach Schädel-Hirn-Trauma, Schlaganfall, Sauerstoffmangel)
•• neurodegenerative Erkrankungen (z. B. Multiple Sklerose, Parkinson-Krankheit, Muskeldystrophien)
•• genetisch bedingte Erkrankungen onkologische Erkrankungen (z. B. Tumoren im Kopfbereich)
•• Erkrankungen des Alters (z. B. Bewegungs- und Mobilitätsstörungen, demenzielle Erkrankungen, einhergehend mit Wahrnehmungsstörungen)
•• Intoxikationen (Vergiftungen mit Verätzungen des Mund- und Rachenbereichs)
•• Infektionen der Mundhöhle und des Rachens (z. B. Soor, Pilzbefall, Mandelentzündungen).
Dabei kann es vorkommen, dass mehrere dieser Erkrankungen gemeinsam auftreten.

Im Folgenden sollen wesentliche Beeinträchtigungen und Erkrankungen herausgestellt werden, die häufig mit Störungen, des Essen, Trinkens und Schluckens bei Kindern, Erwachsenen und alten Menschen verbunden sind.

3.1.1 Kinder

Besonders häufig sind Störungen des Essens, Trinkens, Schluckens und Verdauens aufgrund von neurologischen Erkrankungen und deren Folgeerscheinungen. Eine große Gruppe bilden dabei Kinder, die aufgrund von extremer Frühgeburtlichkeit, genetischer Syndrome und weiterer peri- und postnataler Schäden von einer Zerebralparese betroffen sind. Aufgrund der neurologischen Veränderung haben diese Kinder meist Probleme mit der Spannung der Muskulatur, wie z. B. Spastiken, Hypotonien oder einem schwankenden Muskeltonus, was alle Vorgänge des Essens, Trinkens, Schluckens und Verdauens mehr oder weniger stark beeinflusst. Weiterhin können diese neurologischen Veränderungen zu Fehlbildungen im Mund- und Rachenraum führen. Tonusveränderungen können auch innere Organe in ihrer Funktion beeinflussen, wie z. B. Darmbewegungen oder Verschlussmechanismen im Magen-Darm-Trakt.

Eine weitere größere Gruppe sind Kinder, die aufgrund von neuromuskulären (genetischen, progredienten) Erkrankungen, wie z. B. Muskel Esgeschrittenen Stadien Störungen beim Essen, Trinken, Schlucken und Verdauen entwickeln. Diese Kinder können zuerst selbstständig essen, verlieren diese Fähigkeit jedoch durch den Verlauf der Erkrankung.

Andere Kinder haben einen Unfall und sind dann aufgrund einer Hirnverletzung (Schädel-Hirn- Trauma) oder eines Sauerstoffmangels (Hypoxie) schwer beeinträchtigt. Auch damit können Störungen des Essens, Trinkens und Schluckens einhergehen. Viele dieser Kinder beherrschten diese Tätigkeiten vor dem Unfall und brauchen nun Unterstützung um sie wieder zu erlernen. Kinder können auch an Tumoren erkranken, die ebenfalls verschiedene Störungen der Nahrungsaufnahme und des Verdauens mit sich bringen können.

Kinder mit schweren Behinderungen und Kinder, die extrem früh geboren wurden sowie Erkrankungen verschiedenster Ursachen können aufgrund der notwendigen (intensiv-)medizinischen Eingriffe, wie z. B. Beatmung, Sondierung und Absaugen, oder bei der Mundpflege traumatische Erfahrungen im Mund- und Rachenbereich gemacht haben. Den Betroffenen fehlen dann wichtige entwicklungspsychologische Erfahrungen, wie gestillt zu werden bzw. in den Armen der Mutter an einem Fläschchen zu saugen. Die normalerweise ruhige Zeit mit den Eltern, in der das Stillen und Versorgen des Kindes im Vordergrund steht und sich die Familienmitglieder aneinander gewöhnen und aufeinander einspielen, ist häufig aufgrund der notwenigen medizinischen Versorgung gestört und findet in der Routine des Klinikalltags statt. Unter Umständen brauchen sowohl das Kind als auch seine Eltern dann längere Zeit, um eine Bindung zueinander aufzubauen und zu gemeinsamen Alltags- und Pflegesituationen und somit auch zu einem «normalen» Essen zu finden. Gemeinsam ist allen Kindern mit Behinderungen und Erkrankungen, die Probleme mit dem Essen, Trinken, Schlucken und/oder Verdauen haben, dass sie und ihre Eltern oft einen langen und beschwerlichen Weg hinter sich haben, der mit Arztbesuchen und Krankenhausaufenthalten verbunden ist. Dieser Weg sollte durch eine sensible, individuelle und zugewandte Betreuung begleitet werden. Ziel sollte dabei sein, dass sowohl das Kind als auch die Eltern (wieder) mit Freude und Lust zusammen essen und trinken können.

3.1.2 Erwachsene

Eine große Gruppe unter den Erwachsenen bilden Menschen mit Behinderungen. Dabei sind wiederum Erwachsene mit einer zerebralen Bewegungsstörung besonders betroffen. Bei ihnen kommt es im Laufe des Lebens oft zur Verschlechterung der Schlucksituation und zu Problemen mit dem Verdauen und Ausscheiden, weil die Spastik zunimmt oder schwere Skoliosen zu Organverlagerungen führen. Auch bei anderen Behinderungsformen, wie z. B. beim Down-Syndrom, können die Fähigkeiten des Essens, Trinkens Schluckens und Verdauens aus Gründen eines verfrühten Alterungsprozesses, im Besonderen demenzieller Prozesse, abnehmen. Eine weitere Gruppe Erwachsener sind Menschen, die aufgrund schwerer Erkrankungen, wie Schlaganfälle, Multiple Skoliose oder andere neurologische Leiden, Probleme beim Essen, Trinken, Schlucken und Verdauen entwickeln. Auch Menschen nach schwersten Unfällen und/oder Reanimation können ihre Fähigkeiten in diesem Bereich (zeitweise) verlieren.

Erwachsene, die viele Jahre in psychiatrischen Einrichtungen leben mussten, haben unter Umständen im Bereich des Essen und Trinkens traumatische Erfahrungen hinnehmen müssen. Jahrelang waren sie in allen Bereichen des täglichen Lebens und insbesonders beim Essen extremer Fremdbestimmung unterworfen. Oft können sie auch schwierige Verhaltensweisen in Bezug auf die Nahrungsaufnahme entwickelt haben, wie etwa Kotschmieren und -essen, Nahrung heraufwürgen, Essen herunterschlingen, ohne zu kauen und extrem große Mengen essen oder trinken.

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