Resilienz und Resilienzförderung über die Lebensspanne

Resilienz und Resilienzförderung über die Lebensspanne

von: Maike Rönnau-Böse, Klaus Fröhlich-Gildhoff

Kohlhammer Verlag, 2015

ISBN: 9783170260580

Sprache: Deutsch

231 Seiten, Download: 3537 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Resilienz und Resilienzförderung über die Lebensspanne



2           Resilienz über die Lebensspanne: Allgemeine Betrachtungen


 

 

 

 

Der Ansatz, die Entwicklung und Manifestierung der Resilienz über die Lebensspanne zu betrachten, bezieht sich auf die grundlegenden Erkenntnisse und Prinzipien der Entwicklungspsychologie über die Lebensspanne. Daher werden im Folgenden zunächst diese Grundlagen vorgestellt. Mit dieser Thematik verbunden sind das Konzept der Entwicklungsaufgaben und -themen sowie der kritischen Lebensereignisse; hierauf wird in Kapitel 2.2 näher eingegangen. Bei der Betrachtung von Entwicklung und Resilienz über die Lebensspanne haben Übergänge zwischen Entwicklungsabschnitten oder Entwicklungsumwelten/-systemen eine besondere Bedeutung – Kapitel 2.3 widmet sich diesen Übergängen.

Letztlich verweisen diese verschiedenen Zugänge, die z. T. aus unterschiedlichen Forschungstraditionen oder -zeiträumen entstammen, aus ähnlichen Perspektiven auf den gleichen Gegenstand: Das Individuum, dass sich in der aktiven Auseinandersetzung mit seiner Umwelt (besonderen) Herausforderungen stellt und sie zu bewältigen versucht.

2.1        Entwicklungspsychologie über die Lebensspanne


Entwicklungspsychologie befasst sich im Allgemeinen mit intra- und interindividuellen Veränderungen und Stabilitäten des Verhaltens und Erlebens im menschlichen Lebensverlauf (z. B. Oerter & Montada, 2008). In Erweiterung dieser Definition ist der Gegenstand einer Entwicklungspsychologie der Lebensspanne nach Baltes, Reese und Lipsitt (1980, S. 66) die »Beschreibung, Erklärung und Modifikation (Optimierung) von Entwicklungsprozessen im menschlichen Lebenslauf von der Zeugung bis zum Tod«.

Damit wird auf den prozesshaften Charakter menschlicher Entwicklung verwiesen, zugleich auf die Notwendigkeit, Veränderungen und Kontinuitäten im Verlauf beschreiben und erklären zu können. Die wissenschaftlichen Konzeptionen einer Entwicklung über die Lebensspanne fundieren auf fünf zentralen Prinzipien:

1.    Wechselwirkung von Entwicklungsdeterminanten

      Menschliche Entwicklung vollzieht sich in der Wechselwirkung von biologischen, sozialen und individuell-psychischen Faktoren3. In jeder Entwicklungsphase und jedem Entwicklungsbereich haben diese drei Faktoren eine (unterschiedlich große) Bedeutung.

           In Anlehnung an Baltes, Lindenberger und Staudinger (1998) unterscheidet Brandtstädter (2007, S. 45) drei wesentliche Einflussgrößen: a) normativ/ontogenetisch-alterszyklische, b) normativ-geschichtsgradierte Einflüsse sowie c) »non-normative Ereignisse«.

      Zu a) Grundsätzlich ist demnach »von einer Interaktion von Anlage- und Umweltfaktoren auszugehen; gleiche genotypische Bedingungen können in unterschiedlichen Entwicklungskontexten zu unterschiedlichen phänotypischen Expressionen führen« (ebd., S. 47 f.). Dabei haben die »genetischen Steuerungen der Ontogenese … beim Menschen den Charakter von partiell offenen Programmen, die eine soziale und personale Regulation der individuellen Entwicklung schon voraussetzen« (ebd., S. 48).

      Zu b) Die Entwicklungsumwelten sind wiederum selbst kulturell – und damit normativ und je geschichtsbezogen – geformt: Es kommt im Lebenslauf zu überindividuell wiederkehrenden, teils kultur- und epochenspezifischen Mustern von Anforderungen, Erwartungen und Entwicklungsaufgaben (Havighurst, 1948;  Kap. 2.2).

      Zu c) In jeder Lebensgeschichte finden sich individuell besondere Herausforderungen oder kritische Lebensereignisse, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie besondere Herausforderungen darstellen, die mit bisherigen personalen und sozialen Ressourcen zunächst nicht oder nur schwer zu bewältigen sind und eine Neu-Organisation bisher entwickelter Lebens- oder Verhaltensmuster erfordern ( Kap. 2.2).

2.    Entwicklungsdynamik und Eigenaktivität

      Entwicklung wird als dynamischer, prinzipiell immer veränderbarer Prozess verstanden. In allen Publikationen zur Entwicklungspsychologie der Lebensspanne wird dabei zugleich die aktive Rolle des Individuums betont: »Federführend ist dabei die Vorstellung, dass Menschen, jenseits des Wirkens innerer Triebe und äußerer Zwänge, prinzipiell in der Lage sind, ihr Leben in Übereinstimmung mit eigenen Absichten zu gestalten« (Brunstein & Maier, 2002, S. 158).

           Dies bedeutet, dass endogene Prozesse, Umwelteinflüsse, Prozesse der kulturellen Steuerung aber auch die Eigensteuerung bzw. Selbstregulation des Individuums über die gesamte Lebensspanne Einfluss auf den (individuellen) Entwicklungsprozess haben: »Entwicklung vollzieht sich in einem permanenten, vielfach konfliktträchtigen, selbst entwicklungsoffenen Wechselspiel von normativen kulturellen Entwicklungsforderungen und persönlichen Entwicklungszielen, von sozialen Entwicklungsangeboten und individuellen Entwicklungsmöglichkeiten. Handlungs- und Modifikationsmöglichkeiten in Hinblick auf die eigene Entwicklung werden in allen Lebensphasen wesentlich durch vorausgehende Entwicklungsergebnisse bestimmt« (Brandstätter, 2007a, S. 36 f.).

3.    Kontinuität und Veränderung

      Auch wenn vorangegangene Entwicklungsprozesse einen deutlichen Einfluss auf aktuelle Formen des Herangehens an Aufgaben und Herausforderungen haben, so sind »Veränderungen … zu jedem Zeitpunkt möglich … [Sie] werden durch vorangegangene Anpassungsprozesse eingeschränkt, aber nicht definitiv verunmöglicht oder gar determiniert« (Frick, 2011, S. 72). Dies bedeutet auch, dass bestimmte, erfahrungsabhängig entwickelte Merkmale, wie z. B. das je individuelle Selbstkonzept (vgl. Greve, 2000; Frick, 2011) oder das Selbstvertrauen (Schneider, 2008) zwar – insbesondere nach dem Jugendalter – eine grundlegende Stabilität, Kontinuität und Konsistenz aufweisen, jedoch durch neue intensive oder wiederholte Erfahrungen verändert werden können.

      Entsprechend stellt Brandstätter (2007a, S. 42) fest: »Es gibt keine Entwicklungsmuster oder -verläufe, die nicht geändert werden könnten, vorausgesetzt, das Entwicklungssubjekt selbst oder der relevante soziale oder kulturelle Kontext verfügen über entsprechende Möglichkeiten und Interessen«. Dennoch kann man nicht von einer »unbegrenzten Plastizität« ausgehen: »Die Spielräume menschlicher Entwicklung über die Lebensspanne unterliegen vielmehr einem System von Beschränkungen, die teils selbst historischem Wandel unterliegen, zum Teil aber auch starr und immanent sind« (ebd.)4.

4.    Entwicklung über die Lebensspanne als kontextgebundener Prozess der Passung

      Das (selbstaktive) Individuum bewegt sich über die Lebensspanne in Entwicklungsumwelten und verändert sich in Passung an die Entwicklungskontexte – oder trachtet danach, diese Kontexte ›passend‹ zu gestalten. »Entwicklungsveränderungen im Lebenslauf [sind] wesentlich von den im sozialen, kulturellen und historischen Kontext jeweils gegebenen Arrangements von Entwicklungsangeboten und -beschränkungen abhängig. … Innerhalb dieser – selbst veränderlichen – Bedingungsmatrix schaffen sich Menschen ihre persönlichen Entwicklungsökologien; diese Aktivitäten sind wesentlich darauf ausgerichtet, eine ›Passung‹ zwischen kontextuellen Bedingungen und individuellen Entwicklungs- und Handlungspotentialen zu erreichen … Konfliktspannungen und Asynchronien zwischen individuellen und kontextuellen Bedingungen und die darauf bezogenen Bewältigungsprozesse sind selbst ein wesentliches Moment lebenslanger Entwicklungsdynamiken« (Brandstätter, 2007a, S. 58).

5.    Bedeutung der Entwicklungspfade

      Grundsätzlich ist es schwierig, generalisierende, also überindividuelle, klar festgelegte Entwicklungswege zu...

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