Personalentwicklung und demographischer Wandel: Die Erhaltung des Humankapitals von älteren Mitarbeitern

Personalentwicklung und demographischer Wandel: Die Erhaltung des Humankapitals von älteren Mitarbeitern

von: Stéphane Aspe

Igel Verlag, 2015

ISBN: 9783954855087

Sprache: Deutsch

125 Seiten, Download: 2780 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Personalentwicklung und demographischer Wandel: Die Erhaltung des Humankapitals von älteren Mitarbeitern



Textprobe: Kapitel 3.2, Vorurteile zum Altersdefizit: Die Einschätzung der Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter und welcher Stellenwert ihnen im Arbeitsprozessen beigemessen wird, ist bedingt durch das in unserer Gesellschaft vorherrschende Bild vom Alter. Unsere Gesellschaft bleibt trotz der stattfindenden demographischen Veränderungen aktuell noch jugendorientiert, was seinen Ausdruck darin findet, dass 860.000, also 40,7% der eingetragenen Firmen, überhaupt keinen Mitarbeiter über 55 beschäftigen. Alter wird weiterhin mit dem Abbau von Kräften, geistigem und körperlichem Verfall und weniger mit der Zunahme an Lebenserfahrung oder Weisheit assoziiert. Die mit dem Alter ansteigenden positiven Eigenschaften werden medial kaum angesprochen. Mit dem propagierten Bild vom älteren Mitarbeiter im betrieblichen Kontext verhält es sich ähnlich: negative Zuschreibungsmuster sind überwiegend vorhanden. Ältere werden generell als unflexibel, wenig lernbereit, geringer belastbar, gesundheitlich anfällig und prinzipiell weniger leistungsbereit und produktiv eingeschätzt. Es gibt jedoch auch positive Zuschreibungsmuster wie zum Beispiel Berufserfahrung, Verantwortlichkeit und Zuverlässigkeit. 3.2.1, Entwicklung der Beschäftigungschancen: Bis zum Jahr 2000 war der deutsche Arbeitsmarkt durch eine im internationalen Vergleich relativ hohe Arbeitslosigkeit älterer Erwerbspersonen geprägt. Insbesondere über 55jährige waren deutlich stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als der Durchschnitt der gesamten Erwerbsbevölkerung. Mittlerweile hat sich die Arbeitslosenquote älterer Mitarbeiter an den Gesamtdurchschnitt angenähert und betrug im März 2011 bei den 50- bis 64jährigen 8,8% im Vergleich zu 7,6% bei der Gesamtheit der Erwerbsbevölkerung. Als Spiegelbild dazu lässt sich die Anzahl an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in der Gruppe 50- bis 64jährigen im Zeitraum 1999-2010 in Abbildung 8 betrachten. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat erheblich zugenommen. Im Vergleich dazu blieb das allgemeine Beschäftigungsniveau der Erwerbsbevölkerung insgesamt konstant und nahm im selben Zeitraum um 1% zu. Der in den Altersklassen ab 50 erfolgte Beschäftigungszuwachs spiegelt die Entwicklung der Chancen Älterer auf dem Arbeitsmarkt wider und ist nicht nur auf demographische Effekte zurückzuführen. Das alterungsbedingte Nachrücken von Kohorten mit höherer Erwerbsbeteiligung wird jedoch wesentlich dazu beigetragen haben. Deutschland bleibt 2010 trotz der Verbesserung der Beschäftigungschancen mit einer Quote von 53,8 % der Alterskohorte 55-64 Jahren noch deutlich hinter anderen Industrienationen, wie zum Beispiel Japan (66,3%), den USA (62,1%), Norwegen (69,2%), der Schweiz (68,4%) oder Schweden (70,1%). Die OECD schätzt ein, dass die Maßnahmen der Rentenpolitik in Deutschland sich maßgeblich auf die Beschäftigungssituation älterer Arbeiter auswirkt und große Hindernisse gegen die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit darstellen. Insbesondere die bisher weit verbreite Praxis der erleichterten Frühverrentung ist sowohl für Unternehmer als auch für Beschäftigte attraktiv gestaltet worden, was zur Folge hatte, dass Menschen ab 55 Jahren in Deutschland zu einem erheblichen Anteil die Option der Frühverrentung nutzten. Durch die Reformen 1999, 2001 und 2004 wurde das Vorruhestandsalter erhöht sowie die rechtliche Grundlage für die Inanspruchnahme von Frühverrentungsregelungen verschärft. Außerdem wurden im Laufe der letzten zehn Jahre arbeitspolitische Maßnahmen getroffen die zu einer Verbesserung der Chancen Älterer auf dem Arbeitsmarkt geführt haben. Unter anderem: •Erleichterung der sachgrundlosen Befristung ohne zeitliche Begrenzung bei Arbeitnehmern, die 52 Lebensjahre vollendet haben (§ 14 Abs. 3 TzBfG). •Eingliederungszuschuss in Höhe von bis zu 50% des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelt (§ 218 Abs. 1 SGB III). • Senkung der Lohnnebenkosten in Abhängigkeit vom Alter des Beschäftigten. Parallel dazu ist von staatlicher Seite eine gezielte Politik der Förderung der Beschäftigung älterer Mitarbeiter durch die Schaffung von finanziellen und strukturellen Anreizen zu beobachten. Diese Regelungen sind gebündelt im Gesetz zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer das vom Bundestag 2007 verabschiedet wurde und unter anderem die Möglichkeit der Kombilohnzahlung beinhaltet. Dies kann beantragt werden, wenn bei der Annahme einer neuen bezahlten Tätigkeit Arbeitnehmer, die 50 oder älter sind, ein geringeres Nettoentgelt erhalten als im Rahmen ihre bisherigen Tätigkeit. In diesem Fall erhalten sie die Differenz zwischen dem alten und dem neuen Nettoentgelt. Darüber hinaus wird die Weiterbildungsteilnahme älterer Arbeitnehmer, die das 45. Lebensjahr vollendet haben, gefördert. Es erfolgt eine Übernahme der Kosten einer beruflichen Weiterbildung, wenn sie dadurch Kenntnisse erwerben, die sie auch außerhalb ihres aktuellen Unternehmen verwenden können, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Des Weiteren hat die Reform der Arbeitslosenversicherung zu einer Verkürzung des Arbeitslosengeldbezugs bei Älteren geführt. Trotz einer starken Angleichung der Arbeitslosenquote der Altersklassen 50 bis 64jährige an die allgemeine Arbeitslosenquote, ist die Einstellung von Mitarbeitern ab dem 50. Lebensjahr weiterhin durch verschiedene Hemmnisse erschwert. Zu den Ursachen gehören: •spezifische Kosten, die mit ihrer Beschäftigung im Zusammenhang stehen. •die spezifische Produktivität älterer Mitarbeiter. •eine individuelle Entscheidung für den Ruhestand. •Institutionelle Rahmenbedingungen. 3.2.2, Hemmnisse zur Beschäftigung älterer Mitarbeiter: Senioritätslöhne: Im Vergleich zu ihren jüngeren Kollegen sind ältere Mitarbeiter bezüglich der anfallenden Kosten für ihre Beschäftigung tendenziell teurer. Nach dem Senioritätsprinzip erhalten Beschäftigte mit zunehmender Betriebszugehörigkeitsdauer und damit mit zunehmendem Lebensalter Privilegien und steigende Leistungen. Die Art und der Umfang der Vergünstigungen variiert zwischen den Unternehmen stark. Im Rahmen des Senioritätsprinzip findet mit zunehmender Betriebszugehörigkeit bei gleicher Tätigkeit eine höhere Entlohnung statt. Jedoch können Beschäftigte zum Beispiel auch einen Anspruch auf betriebliche Zusatzleistungen, wie zum Beispiel eine betriebliche Altersvorsorge erwerben und werden bei Beförderungen und Aufstiegen vorrangig berücksichtigt. Sie haben darüber hinaus große Bedeutung beim Bestandschutz und Verdienstsicherung für ältere Mitarbeiter. Zu Beginn der Betriebszugehörigkeit erhält der Arbeitnehmer einen Lohnsatz, der sich unter seinem Wertgrenzprodukt befindet. Im Laufe der Beschäftigungszeit, nimmt sein Lohnsatz gemäß dem Senioritätsprinzip stärker zu als seine durchschnittliche Produktivität, was diese deutlich verringert. Das Prinzip motiviert den Arbeitnehmer im Laufe seiner Beschäftigungszeit die Intensität seiner Leistung aufrecht zu erhalten, da sich mit zunehmender Betriebszugehörigkeit die Wahrscheinlichkeit eines Einkommensverlusts bei einem Arbeitgeberwechsel vergrößert. Der Arbeitnehmer würde erneut einen niedrigen Einstiegslohn erhalten und auf andere Vorteile der Senioritätsvergütung verzichten. Senioritätsregelungen wirken sich hemmend auf die Beschäftigung Älterer aus, denn dadurch werden sie im Laufe des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unattraktiver. Spätestens ab dem Zeitpunkt der Überschreitung des Wertgrenzproduktes durch die Lohnzahlungen, entsteht beim Arbeitgeber die Anregung, den älteren Mitarbeiter zu entlassen und durch einen jüngeren zu ersetzen, um somit die Auszahlung der schon erarbeiteten Einkommensansprüche zu umgehen. Starre steigende Senioritätslöhne haben den Nachteil, dass sie altersbedingte Varianz bezüglich der Entwicklung der individuellen Produktivität nicht Rechnung tragen. Die zunehmenden Alterungseffekte haben bei alternden Arbeitnehmern eine unterschiedliche Auswirkung, so dass Leistung und Entlohnung bei manchen von ihnen mit der Zeit stark auseinanderklaffen. In einer Befragung des Instituts der deutschen Wirtschaft 2010 teilten 31,8 % der Unternehmen mit, dass sie Senioritätslöhne zahlen und weitere 8,4% planen dieses Entlohnungssystem im Laufe der nächsten Jahre einzuführen. Eine flexiblere Gestaltung der Löhne könnte eine stärke Kopplung dieser an die tatsächliche Produktivität älterer Mitarbeiter ermöglichen, was zu einer Verbesserung der Weiterbeschäftigungs- bzw. Einstellungschancen älterer Mitarbeiter führen könnte. Zum Beispiel Motivations- bzw. Bonusmodelle, die einen Grundlohn garantieren, jedoch zusätzliche Gratifikation als Anreiz im Falle einer hohen Produktivität ermöglichen, sind ein Instrument, um leistungsbezogene Löhne zu entrichten. Dies setzt eine Bereitschaft der älteren Mitarbeiter voraus, unter Umständen auch finanzielle Abstriche in Kauf zu nehmen, um ihre Beschäftigungschancen zu verbessern. Kündigungsschutz: Ältere Beschäftigte genießen im Gegensatz zu Frauen (während und nach der Schwangerschaft) und behinderten Beschäftigten (z.B. § 85 SGB IX - Zustimmung des Integrationsamtes vor dem Wirksamwerden einer Kündigung) keinen spezifischen gesetzlichen Kündigungsschutz. Die für alle Beschäftigten geltenden gesetzlichen Bestimmungen der Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen (§622 BGB) und die Gestaltung der Fristen in Abhängigkeit von der Beschäftigungsdauer und somit Betriebszugehörigkeit wirkt sich auf die Beschäftigung älterer Mitarbeiter negativ aus: wenn das Arbeitsverhältnis zum Beispiel zwanzig Jahre bestanden hat, muss eine Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsende eingehalten werden. Die Beachtung von Sozialauswahlkriterien, unter anderem des Lebens- und Dienstalters bei betriebsbedingten Kündigungen, schränkt die Flexibilität personalpolitischer Maßnahmen bei älteren Mitarbeitern zusätzlich wesentlich ein. Des Weiteren erhalten Arbeitnehmer mit zunehmender Betriebszugehörigkeit im Falle einer Kündigung gemäß des § 10 Kündigungsschutzgesetztes ansteigend höhere Abfindungen. Dies wirkt sich auch auf die Neueinstellung älterer Mitarbeiter aus, da das Unternehmen potentielle Kosten der Entlassung berücksichtigt und diese mit zunehmendem Alter aufgrund der gesetzlichen Bestimmung höher sind. Unter diesen Umständen kann der verstärkte Kündigungsschutz für ältere Mitarbeiter als eine Art Senioritätsregel betrachtet werden. Um die Einstellung älterer Mitarbeiter zu fördern und die Folgen der verstärkten Kündigungsschutzregelungen auszugleichen, müssten diese bereit sein, einen Abschlag auf ihre Lohnzahlung in Kauf zu nehmen, um das Risiko zusätzlicher Kosten für den Arbeitgeber auszugleichen. Alternativ dazu müsste bei einem gleichen Einstiegslohn die Produktivität der Älteren die Produktivität der Jüngeren übersteigen, um dieses Defizit ökonomisch auszugleichen. Tarifverträge: Die oben genannten, zwischen den Tarifparteien getroffenen Regelungen zum Schutz ältere Mitarbeiter, haben ebenfalls die Tendenz sich als Hürde bei deren Einstellung auszuwirken. In vielen Tarifbereichen erhalten ältere Beschäftigte schon nach wenigen Jahren der Betriebszugehörigkeit zum Beispiel nach 3 Jahren in der Metallindustrie des Landes Baden-Württemberg, jedoch in der Regel nach 10-15 Jahren Betriebszugehörigkeit einen erweiterten Kündigungsschutz. Die Tarifverträge sind ergänzt durch Regelungen der Verdienstsicherung älterer Mitarbeiter bzw. für besondere Anlässen, wie zum Beispiel Rationalisierungsmaßnahmen oder im Falle einer altersbedingten Minderung der Leistungsfähigkeit eines Arbeitnehmers. Somit findet die Gestaltung von Tarifverträgen sowie die damit verbundenen zusätzlichen potentiellen Entlassungskosten Älterer im Falle einer Kündigung schon im Einstellungsverfahren Berücksichtigung. Unternehmen bedenken die einstellungsrelevanten fixen Kosten der Beschäftigung älterer Mitarbeiter, was sich auch auf deren Erwerbssituation auswirkt.

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