Betreuungsfall - was nun? - Ratgeber für Betroffene und Angehörige

Betreuungsfall - was nun? - Ratgeber für Betroffene und Angehörige

von: Maria Demirci

Verlag C.H.Beck, 2015

ISBN: 9783406680212

Sprache: Deutsch

128 Seiten, Download: 942 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

geeignet für: geeignet für alle DRM-fähigen eReader geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Betreuungsfall - was nun? - Ratgeber für Betroffene und Angehörige



40Betreuungsrechtliche Genehmigungstatbestände


Eine Betreuung stellt einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre eines Menschen dar. Schutzzweck der Betreuung ist neben der Selbstverantwortung und Selbstbestimmung des Betreuten auch dessen Gesundheit und Vermögen, also das Wohl des Betreuten im Allgemeinen.

Um einem Missbrauch vorzubeugen und den Schutz des Betreuten zu sichern, sieht das Gesetz vor, dass der Betreuer einen Großteil seiner für den Betreuten zu erledigenden Geschäfte genehmigen lassen muss. Zuständig für die Erteilung der Genehmigungen ist das Betreuungsgericht.

Personensorge


Bei der Übertragung des Aufgabenkreises der Personensorge handelt es sich in den meisten Fällen um medizinische Eingriffe und Untersuchungen, die Gesundheitsfürsorge, das Recht zur Aufenthaltsbestimmung, den Umgang, die Freizeitgestaltung und die Unterbringung einer Person in einer Anstalt.

Der Aufgabenbereich der Personensorge stellt für den Betroffenen naturgemäß ein höchst sensibles Thema dar. In diesem Bereich geht es schließlich um Fragen, die den inneren, ganz intimen Bereich des Lebens eines Menschen betreffen. Die Gerichte sind aus diesem Grund darum bemüht und gehalten, den zuständigen Betreuern klare Vorgaben zu machen und die jeweiligen Tätigkeitsfelder eindeutig zuzuweisen.

41Organspende


Bei einer Organspende muss danach unterschieden werden, ob der Betreute selbst Spender eines Organs sein oder ein Organ erhalten soll. Soll dem Betreuten ein Organ eingepflanzt werden, bedarf dieser Eingriff der betreuungsgerichtlichen Genehmigung.

Kommt der Betreute selbst als Organspender in Betracht, ist danach zu differenzieren, ob die Organentnahme zu Lebzeiten des Betreuten oder nach seinem Tod vorgenommen werden soll. Die Organentnahme zu Lebzeiten des Betreuten dient nicht seinem Wohl, nur dem des Organempfängers. Aus diesem Grund kann der Betreuer in eine Lebendspende nicht einwilligen. Zu Lebzeiten kann daher nur der Betroffene selbst, beispielsweise im Rahmen einer Organspendeverfügung, in die Maßnahme einwilligen.

Definition: Organspendeverfügung

Die Organspendeverfügung ist ein schriftliches Dokument, in dem zu Lebzeiten festgehalten werden kann, ob und welches Organ gespendet werden soll.

Eine Organentnahme nach dem Tod des Betreuten darf ebenfalls nur vorgenommen werden, wenn der Betreute zu Lebzeiten eine entsprechende Organspendeverfügung errichtet hat. Ohne eine entsprechende Verfügung kann auch der Betreuer in eine solche Maßnahme nicht mehr wirksam einwilligen, da es sich um einen höchstpersönlichen Rechtsakt handelt. Des Weiteren endet das Amt des Betreuers mit dem Tod des Betreuten.

42Ärztliche Maßnahmen


Die Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Gerichts, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute aufgrund der vorgenannten Maßnahmen stirbt oder einen schweren, länger andauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. Um dies beurteilen zu können, ist auf den jeweiligen Betroffenen unter Berücksichtigung seines individuellen Gesundheitszustandes abzustellen. Die Gefahr eines drohenden psychischen Schadens, z. B. Selbstmordgefahr, rechtfertigt ebenfalls die Genehmigungspflicht.

Der Betreuer erteilt seine Einwilligung in die Durchführung der medizinischen Maßnahme, wenn der betreute Patient nicht einwilligungsfähig ist.

Definition: Einwilligungsfähigkeit

Einwilligungsfähigkeit liegt vor, wenn der betreute Patient die Tragweite und die Folgen der Maßnahme erfassen und seinen Willen entsprechend bilden und äußern kann.

Achtung

Ist der Betreute einwilligungsfähig, kommt es allein auf seinen Willen an. Der Betreuer kann dann seine Einwilligung nicht an die Stelle des Willens des Betreuten setzen.

43Genehmigungspflichtige Maßnahmen

Der Betreuer muss folgende ärztliche Maßnahmen regelmäßig vom Betreuungsgericht genehmigen lassen:

  • Amputationen, Transplantationen, Herzoperationen
  • Chemotherapien und Strahlenbehandlungen
  • Verabreichung von Psychopharmaka

Achtung

In dringenden Fällen entfällt die Genehmigungspflicht, wenn mit dem Aufschub der ärztlichen Maßnahme eine drohende Gefahr verbunden ist.

Der Genehmigung des Betreuungsgerichts bedarf es ebenfalls, wenn der Betreuer nicht in eine ärztliche Maßnahme einwilligen will bzw. wenn eine zuvor erteilte Einwilligung widerrufen werden soll und der Betreute aufgrund des Unterbleibens oder des Abbruchs der ärztlichen Maßnahme sterben oder einen länger andauernden gesundheitlichen Schaden erleiden könnte.

Einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedarf es grundsätzlich dann nicht, wenn zwischen dem Betreuer und dem behandelnden Arzt Einigkeit darüber besteht, dass die Einwilligung bzw. der Widerruf der Einwilligung/die Nichteinwilligung dem Willen des betreuten Patienten entspricht, den dieser in einer Patientenverfügung festgehalten hat.

44Definition: Patientenverfügung

In einer Patientenverfügung wird geregelt, welche ärztlichen Maßnahmen zur medizinischen Versorgung gewünscht und welche abgelehnt werden.

Sterilisation


Die Sterilisation stellt einen Sonderfall der ärztlichen Eingriffe dar. Eine Sterilisation ist die operative Unfruchtbarmachung durch Unterbrechung von Ei- oder Samenleiter. Die Sterilisation ist für den Betreuten von großer Tragweite, da der Eingriff in der Regel nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Der Betreuer kann die Einwilligung zur Vornahme einer Sterilisation nur wirksam erteilen, wenn der Betreute dauerhaft nicht einwilligungsfähig ist. Zusätzlich muss als gesichert gelten, dass der Betreute während des gesamten Zeitraumes der Zeugungs- bzw. Empfängnisfähigkeit die Einwilligungsfähigkeit nicht wiedererlangt.

Achtung

Befindet sich der Betreute nur vorübergehend in einem Zustand der Betreuungsbedürftigkeit, z. B. Alkoholsucht oder Drogenabhängigkeit, darf der Betreuer nicht in eine Sterilisation einwilligen.

Der Sterilisation darf der ausdrückliche bzw. mutmaßliche Wille des Betreuten nicht entgegenstehen. Weitere Voraussetzung ist, dass zu erwarten ist, dass es ohne Sterilisation zu einer Schwangerschaft kommen könnte und diese eine Gefahr für Leben oder Gesundheit der Schwangeren bedeuten 45würde. Darunter versteht man sowohl eine konkrete Gefahrensituation für das Leben selbst, z. B. schwere Herz- und Kreislauferkrankungen, als auch seelische Schäden und das seelische Leid, das die Schwangere erfahren würde, wenn Maßnahmen ergriffen werden müssten, die die Trennung von Mutter und Kind zum Inhalt haben. Interessen Dritter, z. B. des Kindsvaters, bleiben bei der Beurteilung außen vor. Zusätzlich darf die Schwangerschaft durch kein anderes (milderes) Mittel verhindert werden können. Mildere Mittel sind z. B. chemische oder mechanische Verhütungsmittel.

Ferner ist der Methode Vorzug zu geben, die eine Refertilisierung, also die Wiederherstellung der Zeugungs-/Empfängnisfähigkeit, ermöglicht. Hintergrund ist, dass Betreuungen nicht auf Lebenszeit ausgelegt sind und der Eingriff ggf. rückgängig gemacht werden können sollte.

Die Vornahme der Sterilisation bei einem unter Betreuung stehenden Menschen setzt immer voraus, dass überhaupt eine Notwendigkeit für den Eingriff besteht – was nicht der Fall ist, wenn der Betreute keine sexuellen Kontakte hat.

Im betreuungsgerichtlichen Genehmigungsverfahren zur Vornahme einer Sterilisation muss neben einem besonderen weiteren Betreuer, der nur für den Aufgabenkreis der Sterilisation bestellt wird, noch ein Verfahrenspfleger durch das Gericht bestellt werden. Zusätzlich sind wenigstens zwei ärztliche Sachverständigengutachten einzuholen. Ebenso ist der Betreute persönlich vom Betreuungsgericht anzuhören.

Schwangerschaftsabbruch


Die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. 46Bei einem Schwangerschaftsabbruch muss danach unterschieden werden, ob die Maßnahme medizinisch indiziert ist oder nicht.

Definition: Indikation

Als Indikation bezeichnet man in der Medizin den Grund für den Einsatz einer therapeutischen oder diagnostischen Maßnahme.

Bei Vorliegen einer medizinischen Indikation handelt es sich um eine notwendige Heilbehandlung und der Eingriff ist genehmigungsbedürftig. Liegt hingegen keine medizinische Indikation vor, muss der Schwangerschaftsabbruch nicht vom Betreuungsgericht genehmigt werden. In den Schwangerschaftsabbruch kann der Betreuer daher – notfalls auch gegen den Willen der Betreuten – einwilligen.

Achtung

Dies ist nicht unumstritten. Aus diesem Grund sollte der Wunsch der Betreuten, solange sie in der Lage ist, die Situation einzuschätzen, bei der...

Kategorien

Service

Info/Kontakt