Hurra, wir sind Ompas

Hurra, wir sind Ompas

von: Eva Zeltner

Zytglogge Verlag, 2012

ISBN: 9783729620087

Sprache: Deutsch

157 Seiten, Download: 219 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Hurra, wir sind Ompas



Wie Grosseltern ticken

Bisher beschrieb ich vorwiegend meine eigenen Erlebnisse und persönlichen Herausforderungen im Grosselternstand. Aus Gesprächen mit einer Anzahl ebenso am Nachwuchs Interessierter weiss ich inzwischen, dass mein Mann und ich viele Erfahrungen mit andern Grossvätern und -müttern teilen; das heisst, dass wir zur grossen Zahl der mehr oder weniger regelmässig ihre Enkel betreuenden Durchschnitts-Ompas gehören. Doch es gibt immer wieder auch Grosseltern, die eher atypisch auf den Nachwuchs ihrer Söhne und Töchter reagieren.

Super-Eltern kommen im realen Leben sehr selten vor. Und genauso so vergeblich sucht man auch nach Bilderbuch-Ompas. Wir sind genauso verschieden, fehlbar und unvollkommen wie alle Menschen, die eigenen Kinder und Kindeskinder inbegriffen.

Endlich!

Es gibt einen verschärften Grund, sich auf die Ankunft des ersten Grosskindes besonders zu freuen, nämlich dann, wenn dessen Mutter die statistische Fertilitätsphase bereits überschritten und die alles andere als taufrischen Ompas längst den Zenit ihres Lebens hinter sich gelassen haben.

Nicht selten reagieren diese auf die frohe Botschaft zuerst mit einem aufatmenden «Endlich!» – einer verhaltenen Freudenbezeugung, in der unterschwellig der leise Vorwurf mitschwingt: «War aber auch Zeit. Wir dachten schon, wir kriegten nie Enkel!»

Manche ältere Paare haben denn auch jahrelang heimlich oder unverblümt offen bei Tochter oder Schwiegertochter nach ersten Anzeichen einer Schwangerschaft gefahndet. Ist ihr morgens übel? Rundet sich endlich ihr Bauch? Zeigt sie ungewohnte Gelüste? Argwohn und Enttäuschung, wenn nichts davon zutrifft. Liegt es an ihr oder doch eher am Sperma ihres Partners? Heikle Fragen zu einer sehr intimen Angelegenheit.

Manche Frauen streben erst mal nach Erfolg im Beruf und wollen sich dann später für ein Kind entscheiden. Manchmal ist jedoch beim später erfolgten Entschluss das biologische Verfallsdatum bereits abgelaufen. Wieder andere Paare wünschen sich überhaupt keine Kinder. Das ist deren ureigene freie Entscheidung. Für die ungeborenen Kids jedenfalls besser, als wenn sie zufällig gezeugt, später abgetrieben oder einfach so nebenher erduldet worden wären.

Es gibt in der Tat Mütter, denen ihre Kinder nicht alles im Leben bedeuten. Das mit dem angeborenen, allzeit bereiten selbstlosen Mutterinstinkt gehört vermutlich zu den Herd-und-Heim-Mythen, um Frauen als eine Art Haustiere zu domestizieren und den Männern gefügig zu machen. So jedenfalls sieht Elisabeth Badinter, französische Autorin und Philosophieprofessorin, den heutigen Trend zur neuen Lust am Muttersein. Ihr allerneustes Buch ‹Der Konflikt› bezieht sich auf gesellschaftliche Tendenzen in Frankreich. Sie fordert eine grössere Toleranz gegenüber den verschiedenen weiblichen Lebensentwürfen, zu denen auch gewollte Kinderlosigkeit zähle. Sie räumt der Erwerbsarbeit höchste Priorität ein und bezichtigt Frauen, die der Kinder wegen daheim bleiben, als unemanzipiert und hinterwäldlerisch. Badinter wettert gegen die ‹sanfte Tyrannei der Mutterpflichten›, gegen ‹Still-Ayatollahs› und Kinderpsychologen, welche die frühkindliche Mutterbindung als wesentlichen Grundstein zur Persönlichkeitsbildung betrachten.

Das Buch bildet eine interessante Diskussionsgrundlage, schiesst aber für meine Begriffe übers Ziel hinaus. Denn auch Frauen, denen Kinder mehr bedeuten als eine berufliche Karriere, sind keineswegs doof und nur ihren Männern hörig, damit diese ungestört von Vaterpflichten ihrem Beruf nachgehen können.

Jede Frau muss heute endlich das Recht haben, mit oder ohne Nachwuchs ihren Beruf ausüben zu können, aber sie soll ohne schlechtes Gewissen auch ‹nur› Mutter und Familienfrau sein dürfen.

Freudig empfangener, als Laune der Natur oder mit Absicht verweigerter Nachwuchs, alle möglichen Varianten in Bezug auf Nachkommen, selbst wenn ihnen dies alles noch so ungerecht erscheint, haben die sich nach Enkel sehnenden Mütter und Schwiegermütter zu akzeptieren. Sie mögen sich noch so schwer damit tun. Niemand hat ein verbürgtes Menschenrecht auf Nachwuchs, weder auf eine erste noch auf eine weitere Auflage. Auch Enkelkinder sind ein Geschenk. Und zu ihrer Zeugung können die sie herbeisehnenden Grosseltern rein gar nichts beitragen.

Zwar lassen moderne Empfängnismethoden eine Menge an medizinischer Nachhilfe zu, und nicht wenige Frauen quälen sich psychisch und physisch jahrelang und versuchen alles Erdenkliche und Menschenunmögliche, damit sie vielleicht doch noch Mutter werden. Ein alles beherrschender Kinderwunsch kann übrigens auch Männer befallen. Vereinzelt sogar Schwule. Bei jenen Menschen, deren Interesse nur noch auf den Punkt ‹eigenes Kind› fixiert ist, kreisen Träume, Gedanken und Hoffnungen ausschliesslich um das Thema Elternschaft.

Liegen die eigenen Eltern oder gar die Schwiegermama einem kinderlosen Paar dann ständig mit Fragen, Ratschlägen und Selbstmitleid wegen der Enkelabstinenz in den Ohren, kann der zusätzliche Druck die ohnehin schwierige Situation nur verschlimmern.

Übrigens: Frauen, die krampfhaft versuchen, schwanger zu werden, haben oft keinen Erfolg. Falls die Unfruchtbarkeit nicht beim Partner liegt, befindet sich die Barrikade aber häufig nicht im Bauch, sondern in ihrem Kopf. Wer akzeptieren lernt, dass ein Leben auch ohne eigenes Kind reich und sinnvoll sein kann, ist nicht selten plötzlich schwanger.

Geschieht dann allen gynäkologischen Fehlschlägen zum Trotz das kleine, doch subjektiv einmalige Ereignis, drückt das grosselterliche «Endlich!», mit dem das heiss erwünschte Geschöpf begrüsst wird, in erster Linie Erleichterung und Dankbarkeit pur aus.

Davon profitieren alle, denn was so lange ersehnt wurde, ist überaus kostbar. Das bezeugen etliche Äusserungen jener Ompas, die sich vor lauter Staunen über das Wunder des endlich geborenen Enkelkinds kaum mehr einkriegen können – fast noch weniger als beim eigenen ersten Baby.

Hilfe, eine Panne!

In anderen Familien ist es genau umgekehrt: Kein «Endlich!» entfährt den Eltern, wenn ihre mitten in der Ausbildung stehende Tochter erklärt, sie werde Mutter, oder der knapp 18-jährige Sohn fürchtet, Alimente für ein ‹im Partytaumel gezeugtes› Kind bezahlen zu müssen. Ich denke jetzt nicht an schwangere Schulkinder oder gar an junge Vergewaltigungsopfer, sondern an Reaktionen bei der Nachricht, eine kaum den Kinderschuhen entwachsene Tochter erwarte ‹aus Liebe› und/oder aus Unvorsichtigkeit ein Kind.

«Oje, musste das sein? Gehts eigentlich noch? Wir finden einen guten Arzt, dann ist alles wieder okay.» So oder ähnlich schockierend lauten auch heute noch erste elterliche Kommentare.

Kurzer Rausch – lange Reue. Nach wie vor entstehen immer wieder Kinder ungeplant. Im Idealfall werden sie aber trotzdem von den zukünftigen Jung-Eltern, vor allem von den Frauen, akzeptiert. Wenn der unbeabsichtigte Nachwuchs von der jugendlichen Mutter mit Liebe erwartet wird, ist sein Eintritt ins Leben problemloser. Oft aber trifft es vor allem die Grosseltern, die nach der Geburt – nicht ganz freiwillig, sondern mehr aus Verantwortungs-und Pflichtbewusstsein – weit mehr als üblich zur täglichen Betreuung in Beschlag genommen werden.

Jede ungeplante Schwangerschaft einer kaum erwachsenen Tochter erregt ambivalente Gefühle in den oft im besten Lebensalter zu Grosseltern und zur Finanzhilfe verdonnerten Müttern und Vätern. Eine Aufgabe, die eigene Wünsche durchkreuzt. Auch wenn die Tochter noch in der Ausbildung steht und sich – allfälligen Abtreibungswünschen des Kindsvaters oder ihrer Eltern zum Trotz – für das Kind und seine Fürsorge entscheidet, benötigt sie fast immer zusätzlich die Mehrfach-Unterstützung ihrer Eltern (vorweg der Mutter): praktisch, moralisch und nicht zuletzt finanziell.

Überraschung, Wut und Hass auf den verantwortungslosen Erzeuger, aber auch auf die leichtsinnig schwanger Gewordene, die vielleicht nur die Pille vergass, wechseln im Laufe der folgenden Monate mit zaghaft aufkeimender Freude über den zu erwartenden Familienzuwachs. Bei diesem Ereignis kann ein Enkelkind dem grosselterlichen Lebensrhythmus einen Takt aufzwingen, der so keineswegs geplant war und der fürs Erste die lang ersehnte Autonomie erschwert oder gar verunmöglicht. In vielen Fällen übernimmt automatisch die Grossmutter die anfängliche Betreuung und Verantwortung fürs Baby, während die Tochter ihre Ausbildung beginnt oder beendet.

So bricht über manche der sich noch jugendlich cool fühlenden Frauen und Männer die Ompas-Phase vorzeitig herein, für ihr gegenwärtiges Selbstverständnis, ihre finanzielle Lage und ihren Lebensentwurf zu früh. Doch nicht schon jetzt! Und unter diesen Voraussetzungen! Enkel hätten ruhig später und unter andern Begleitumständen kommen...

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