Invalidität - Alles über Renten, Rechte und Versicherungen

Invalidität - Alles über Renten, Rechte und Versicherungen

von: Ueli Kieser, Jürg Senn, Der Schweizerische Beobachter

Beobachter-Edition, 2012

ISBN: 9783855696109

Sprache: Deutsch

217 Seiten, Download: 290 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Invalidität - Alles über Renten, Rechte und Versicherungen



2. IV: die zentrale Versicherung bei Invalidität

Wer invalid wird, hat es in erster Linie mit der Invalidenversicherung – kurz IV – zu tun. Wer bei der IV versichert ist, welche Leistungen die Versicherung vorsieht und wie Sie zu diesen Leistungen kommen, erfahren Sie auf den folgenden Seiten.

Wer ist bei der IV versichert?

Die IV ist wie die AHV, mit der sie eng zusammengehört, eine obligatorische Versicherung; es gibt also kein Auswahlverfahren und man kann auch nicht «rausgeworfen» werden. Obligatorisch versichert sind alle Personen, die in der Schweiz Wohnsitz haben oder hier erwerbstätig sind. Es genügt, wenn eines der beiden Kriterien erfüllt ist. Auch spielt es keine Rolle, ob Sie Ausländerin oder Schweizer sind – die Kriterien sind für beide Personengruppen dieselben. Insofern ist die IV eine sehr soziale Versicherung.

Im Gegensatz zur beruflichen Vorsorge setzt die IV keinen bestimmten Mindestlohn voraus. Versichert ist also auch, wer für einen Hungerlohn zu arbeiten hat. Personen, die in der Schweiz wohnen, aber nicht einer Erwerbstätigkeit nachgehen, sind ebenfalls durch die IV geschützt.

Hausfrauen und Hausmänner sind versichert

Weil die Invalidenversicherung nicht darauf abstellt, ob jemand erwerbstätig ist oder nicht, sind auch Hausfrauen und Hausmänner in der IV abgedeckt. Eine Hausfrau beispielsweise, die psychisch erkrankt, erhält ab einem Invaliditätsgrad von 40 Prozent (siehe Seite 67) ebenfalls eine Invalidenrente, auch wenn sie keinen Einkommensverlust erleidet. Zu oft geht das vergessen!

Die IV ist also eine typische Volksversicherung. Als solche schichtet sie in ganz erheblichem Ausmass Einkommen um. Die Unternehmerin mit einem Jahreseinkommen von einer Million zahlt den genau gleich hohen Prozentsatz als Beiträge wie der Teilzeitbeschäftigte, der jährlich nur zwanzigtausend Franken verdient. Zwar beeinflusst die Höhe der Beiträge in einem gewissen Ausmass die Rente; die Maximalrente ist aber nur doppelt so hoch wie die tiefste. Auch wer sein Erwerbsleben lang nur wenig verdiente und fast keine Beiträge einzahlte, erhält also im Invaliditätsfall mindestens halb so viel wie die Grossverdienerin, die auf einem Millioneneinkommen Beiträge ablieferte. Auch dies eine sehr soziale Ausprägung der IV.

Marlene Z. arbeitet als Verkäuferin und erzielt ein Einkommen von rund 2500 Franken monatlich. Auf diesem Lohn werden ihre AHVund IV-Beiträge berechnet. Reto V., ein gut bezahlter Topmanager, bezahlt AHV- und IV-Beiträge auf einem Jahreseinkommen von rund 700 000 Franken. Beide werden mit 45 Jahren invalid. Frau Z. hat bis dahin Beiträge von vielleicht 60 000 Franken bezahlt, Herrn V.s Beiträge machen rund 1,5 Millionen Franken aus. Die Invalidenrenten der beiden liegen aber gar nicht weit auseinander: Die Verkäuferin kann mit vielleicht 1500 Franken rechnen, während der Topmanager auf die Maximalrente von 2320 Franken kommt.

Mindestens drei Beitragsjahre sind nötig

Zwar sind alle in der Schweiz wohnhaften oder erwerbstätigen Personen obligatorisch der IV unterstellt. Doch das heisst noch nicht, dass sie in jedem Fall Anspruch auf Leistungen haben. Um eine Invalidenrente erhalten zu können, müssen Versicherte mindestens drei volle Beitragsjahre aufweisen. Was heisst das? Die technische Umschreibung des Beitragsjahrs finden Sie im Kasten auf der nächsten Seite. Als Faustregel können Sie sich merken: Ein Beitragsjahr wird anerkannt, wenn Sie für mindestens elf Monate Beiträge bezahlt oder eine entsprechende Gutschrift erhalten haben.

Die Frage der drei Mindestbeitragsjahre stellt sich einerseits bei ganz jungen Berufsleuten, vor allem aber bei Menschen, die in die Schweiz einreisen, kurz darauf erkranken oder verunfallen und später deswegen invalid werden.

Carola F. wird wegen einer Krankheit mit 25 Jahren bleibend erwerbsunfähig. Die IV klärt zunächst ab, ob sie drei Mindestbeitragsjahre erfüllt hat. Dazu konsultiert sie das individuelle Konto von Frau F. (IK, siehe Seite 38). Hier ist verzeichnet, auf welchem Einkommen bisher Beiträge für sie eingezahlt wurden. Wenn Frau F. vor ihrer Erkrankung bereits im Erwerbsleben stand, hat sie die nötige Mindestbeitragszeit zweifellos erfüllt. Vielleicht gibt es in ihrem IK aber auch noch keine Einträge. Dann wird abgeklärt, ob Carola F. Kinder hat; denn dann würde ihr für jedes Jahr der Kinderbetreuung eine Erziehungsgutschrift angerechnet. Vielleicht war Frau F. auch verheiratet und ihr Ehemann hat mehr als den doppelten Mindestbetrag bezahlt. Dies wird ihr ebenfalls angerechnet. Je mehr Beitragszeiten zusammengetragen werden können, umso höher liegt die IV-Rente.

Definition: Beitragsjahr

Ein Beitragsjahr haben Sie erfüllt, wenn Sie eine der folgenden Bedingungen erfüllen:

•   Es kann Ihnen ein volles Jahr Einkommen angerechnet werden – entweder weil Sie selbst Beiträge bezahlt haben oder weil Sie mit jemandem verheiratet waren bzw. in eingetragener Partnerschaft lebten, der mindestens den doppelten Mindestbeitrag entrichtet hat (siehe Seite 36).

•   Es kann Ihnen eine Erziehungsgutschrift angerechnet werden (siehe Seite 70).

•   Es kann Ihnen eine Betreuungsgutschrift angerechnet werden (siehe Seite 71).

Wohnsitz und/oder Arbeit in der Schweiz

Wer in der Schweiz Wohnsitz hat, ist obligatorisch bei der AHV und bei der IV versichert. Als Wohnsitz gilt der Lebensmittelpunkt. Es ist also massgebend, wo Sie hauptsächlich Ihre Kontakte pflegen, wo Sie Steuern zahlen, wo Sie Ihren Freundeskreis haben und wo Sie sich hauptsächlich aufhalten. Für die obligatorische Versicherung bei der AHV und IV reicht es aus, wenn Wohnsitz in der Schweiz genommen wird. Eine spezielle Anmeldung bei der AHV-Ausgleichskasse ist nicht verlangt.

Obligatorisch versichert bei der AHV und bei der IV sind Sie auch, wenn Sie in der Schweiz arbeiten – selbst wenn Sie beispielsweise als Grenzgängerin im nahen Ausland wohnen. Ob Sie angestellt oder selbständigerwerbend sind, spielt keine Rolle. Es reicht aus, wenn Sie eine Tätigkeit ausüben, die auf einen Erwerb gerichtet ist.

Für die meisten Versicherten erledigt der Arbeitgeber die nötigen Formalitäten mit der AHV. Als Selbständigerwerbende oder Nichterwerbstätiger müssen Sie selbst daran denken, sich bei der Ausgleichskasse zu melden.

Was gilt bei Schwarzarbeit?

Auch Schwarzarbeiterinnen und Schwarzarbeiter sind in der AHV- und der IV obligatorisch versichert. Es ist nicht massgebend, ob jemand eine Arbeitsbewilligung hat oder nicht – obligatorische Versicherung bleibt obligatorische Versicherung. Aber natürlich können die Ausgleichskassen die Schwarzarbeit nur erfassen, wenn diese gemeldet wird. Häufig geschieht das erst, wenn eine schwarzarbeitende Person verunfallt oder erkrankt. Dann zieht die AHV-Ausgleichskasse die geschuldeten Beiträge für die letzten fünf Jahre beim Arbeitgeber ein, und diese Periode wird als Beitragszeit anerkannt.

Auslandaufenthalt: Bleibt man versichert?

Die AHV/ IV-Abdeckung im Ausland ist eine komplizierte Angelegenheit. Viele Fragen sind in Staatsverträgen und im bilateralen Abkommen mit der EU über die Personenfreizügigkeit geregelt. Hier die wichtigsten Grundsätze:

•   Wenn Sie von Ihrem Schweizer Arbeitgeber ins Ausland geschickt werden, sind Sie in der Regel vorerst versichert. Klären Sie die Versicherungsdeckung direkt mit ihm ab.

•   Wenn Sie in einen EU- oder EFTA-Staat ziehen und bei einer dortigen Firma arbeiten, sind Sie im Sozialversicherungssystem dieses Staates versichert. Dasselbe gilt für einige weitere Staaten, mit denen die Schweiz ein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat.

•   Wenn Sie Wohnsitz ausserhalb des EU-/ EFTA-Raumes nehmen, können Sie sich als Schweizer Bürgerin oder Schweizer Bürger oder als Staatsangehöriger eines EU-Landes der freiwilligen AHV anschliessen. Dadurch stellen Sie sicher, dass Sie weiterhin bei der AHV/ IV abgedeckt sind.

Planen Sie einen Auslandaufenthalt, sollten Sie sich unbedingt mit der anwendbaren staatsvertraglichen Ordnung vertraut machen. Die AHV hält dazu Merkblätter bereit, die Sie bei Ihrer Ausgleichskasse beziehen oder von der Homepage der AHV (www.ahv-iv.infoMerkblätterInternational) herunterladen können.

Die Beiträge an die IV

Meist ist die Rede bloss von den AHV-Beiträgen; gemeint sind aber zugleich auch die Beiträge an die IV. Denn diese werden zusammen mit denjenigen an die AHV von den AHV-Ausgleichskassen eingezogen, liegen allerdings prozentual wesentlich tiefer. Es gilt also folgende Faustregel: Wer AHV-Beiträge bezahlt, ist automatisch bei der IV versichert.

Die Beitragspflicht: Wer zahlt ab wann?

Zwar sind Sie ab Geburt bei der IV versichert – sofern Sie in der Schweiz wohnen. Doch die Beitragspflicht beginnt erst später.

•   Erwerbstätige zahlen Beiträge ab...

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