Du bist mehr als eine Zahl - Warum das Alter keine Rolle spielt

Du bist mehr als eine Zahl - Warum das Alter keine Rolle spielt

von: Dr Irène Kilubi

Murmann Publishers, 2024

ISBN: 9783867747974

Sprache: Deutsch

280 Seiten, Download: 1004 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Du bist mehr als eine Zahl - Warum das Alter keine Rolle spielt



Intro

Wie jede Lebensgeschichte ist auch meine Lebensgeschichte eigen.

Ich bin nicht in Deutschland geboren, sondern als kleines Kind hierhergekommen. Meine Mutter, mein Vater und ich waren Geflüchtete. Meine jüngeren Geschwister kamen in Deutschland zur Welt.

Während mein Vater weiterzog – er wollte nur weg aus diesem Land –, blieb meine Mutter mit uns Kindern hier. Ich verspüre den Impuls, das Wort »alleine« hinzuzufügen, aber wir waren nicht alleine. Mit der Zeit stellten sich Freund*innen an unsere Seite. Unterstützer*innen. Weggefährt*innen und Leidensgenoss*innen.

Dennoch musste ich früh lernen, erwachsen zu werden, Geld zu verdienen und zu verhandeln, wenn sich meine Mutter das eine oder andere für mich nicht leisten konnte. Wie meine Freund*innen wollte auch ich als Mädchen auf dem Rücken eines Pferdes sitzen, also habe ich kurzerhand die Hofbesitzerin gefragt, ob ich den Stall ausmisten oder Kirschen pflücken darf – und im Gegenzug dafür reiten. Das besagte Glück auf Erden habe ich nicht gefunden, dafür Vertrauen in mich selbst.

Bis zum Alter von 14 habe ich in Geflüchtetenheimen gelebt, sie waren mal mehr, mal weniger spartanisch. Und doch hat es mir an nicht viel gefehlt. Immer habe ich Wege und Möglichkeiten gefunden, mir meine Wünsche zu erfüllen. Erst Erdbeeren und Kirschen pflücken, später babysitten, Nachhilfe geben, Zeitungen austragen. In einer Papierdruckerei am Fließband stehen, im Schwimmbad putzen, in Bars kellnern. Ich war mir nie zu schade für eine Tätigkeit, mehrere Jobs gleichzeitig gehörten zu meiner Normalität. Vor allem, wenn es wieder hieß, »wir brauchen fürs Auto Winterreifen« oder »die Waschmaschine ist kaputt« – und das Familienkonto diese Extraausgabe wie so oft nicht decken konnte.

Aber auch ich konnte mich immer auf meine Familie verlassen. Als ich in Großbritannien meinen Master in Supply Chain und Logistics Management absolvierte und alles teurer wurde als gedacht, haben alle zusammengelegt, um mir den Aufenthalt zu ermöglichen, meine Schwester plünderte gar das Konto meines Neffen. Und als ich als Kind unbedingt eine Schreibmaschine wollte, knapste meine Mutter Monat für Monat etwas ab. Wir lieben diese Geschichte und erzählen sie uns auf Familientreffen immer wieder, denn kurz nachdem mein Traum in Erfüllung ging und das gute Ding endlich auf meinem Schreibtisch stand, bekamen meine Freund*innen alle einen Computer …

Meine Lebensdevise: Vergiss nicht, woher du kommst. Sei stolz, was du aus dir gemacht hast. Freue dich auf die Reise, die vor dir liegt.

Manchmal schlägt das Schicksal zu und das Leben zwingt dich in eine Richtung, in die du nicht willst. Lass dich darauf ein und sieh die Möglichkeiten. Chance schlägt Risiko. Vielleicht ist es anfangs ungemütlich, ins kalte Wasser zu springen. Aber auch dort lernt man schwimmen. Meistens sogar besser und schneller. Mit jedem Zug, den du eigenmächtig vollführst, wirst du dich selbstständiger, autarker fühlen. Die Lebenslust wächst, die Angst schwindet – und mit ihr zugleich die Sehnsucht nach einem Zurück ins wohltemperierte Nichtschwimmerbecken.

Doch wenn dich dein Umfeld in eine Richtung drängt, halte dagegen. Nur du allein kannst wissen, was in dir steckt. Wie oft habe ich gehört: Das kannst du nicht, das schaffst du nicht, dafür bist du nicht geeignet, du gehörst nicht dazu, bilde dir nichts ein, mach lieber etwas anderes. Wenn man nicht aufpasst, sickern diese Aussagen ein und man verliert sich selbst aus dem Blick. Deswegen: Lass dir nicht den Schneid abkaufen und glaub an dich – wenn du es nicht tust, wer dann?

Nach dem Abitur war ich mir unsicher, welchen Beruf ich ergreifen sollte. Mir wurde gesagt, ich wäre doch so kontaktfreudig und offen, warum also nicht Werbung, Marketing oder Vertrieb? Aber ich wollte nicht in eine Schublade gesteckt werden und die Klischees anderer erfüllen.

Ich versuchte Abstand zu gewinnen von all dem Noise – tu dies, tu das – und allmählich wurde mir klarer, wie es für mich persönlich weitergehen kann. Ich war immer gut in Mathematik und sehr interessiert an Technik. In den frühen 90er-Jahren, als Videospiele populär wurden, war ich eines der ersten Gamer-Girls und süchtig nach Super Nintendo und Game Boy. Also entschloss ich mich, Wirtschaftsingenieurwesen zu studieren. Nach meinem Abschluss ging ich zu BMW, danach folgten Siemens Inhouse Consulting und Deloitte mit Digitalisierungsprojekten unter anderem für die Europäische Zentralbank, Vodafone, Unitymedia und Allianz Global Investors. BMW und Siemens gestatteten mir profunde Einblicke in die Automobilbranche und den Maschinenbau. Bei Deloitte kamen der öffentliche Sektor, die Welt der Banken, Finanzen und Telekommunikation dazu.

Ich stieg in den Fahrstuhl des Lebens, mit dem Ziel, möglichst viel zu sehen. Beschäftigte mich nebenberuflich mit Persönlichkeitsarbeit, Social Media und Personal Branding. Promovierte und ergatterte mit 29 Jahren meinen ersten Lehrauftrag als MBA-Dozentin für Einkauf und Beschaffung.

In diesem turbulenten Lebensabschnitt realisierte ich, welch starke Diversitäts- und Diskriminierungsdimension das Alter darstellt.

Nehmen wir nur BMW. Mit meinen 25 Jahren war ich mit Abstand die Jüngste in der Abteilung, die nächstältere Kollegin war 43. Mein Eifer, mein Ehrgeiz wurden mit einer Zahl und der Zugehörigkeit zu einer Generation in Verbindung gebracht:

»Das ist typisch für die Generation Y, die denken, mit Zertifikaten und Fleiß kommt man weiter. Die sollen den Job mal paar Jahre machen, die Extrameile gehen und dann mit 50 merken, das alles für die Katz war.«

»Als ich 25 war, dachte ich auch, ich könne die Welt verändern.«

»Irène, wir brauchen solche Leute wie dich, die Drive haben und Verantwortung übernehmen wollen. Aber du bist noch sehr jung. Ich war erst Ende 30, als ich Führungskraft wurde. Sei geduldig, mach langsam, geh runter vom Gas.«

Ich wollte aber lieber auf das Alter pfeifen. Weil es für mich damals wie heute auf die Passion und das Potenzial eines Menschen ankommt. Warum lassen wir uns von einer Zahl derart limitieren? Und leben ein Leben, in dem es nur eine sehr kurze Phase gibt, in der wir nicht »zu jung« oder »zu alt« sind.

Mein Geburtsjahr steckt mich in die Kohorte »Generation Y«. Ich fühle mich ihr verbunden, weil ich mit Gleichaltrigen bestimmte Erfahrungen teile. Moden, Trends, Musik. Doch in allererster Linie bin ich Irène. Irène Kilubi. Meine Hautfarbe, meine soziale Herkunft und mein Alter spielen für mich keine bedeutsame Rolle – außer, die Gesellschaft weist mich aufgrund dessen in Schranken.

Um sie nicht nur für mich zu durchbrechen, ist mein Thema das große Spiel der Generationen. Leider sind wir es immer noch nicht leid.

Die Älteren, früher selbst beschimpft von der Eltern- und Großelterngeneration, rümpfen die Nase über die Jüngeren: faul, nicht belastbar, unerfahren, unzuverlässig. Die Jüngeren wehren sich gegen die Überheblichkeit der Älteren – dominant, übergriffig, besserwisserisch –, um drei, vier Jahrzehnte später ins selbe Horn zu blasen. Die Medien heizen den Generationenkonflikt zusätzlich an, der da angeblich in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft tobt.

Altersdiskriminierung ist ein weitverbreitetes Problem, das Menschen aller Altersgruppen betrifft. Sie wird oft als Ageismus und Adultismus bezeichnet und kann sich in verschiedenen Formen äußern, etwa in negativen Stereotypen, Annahmen und Vorurteilen aufgrund des Alters einer Person. Ageismus richtet sich speziell gegen ältere Menschen und kann sich auf ihre Beschäftigungsmöglichkeiten, ihre Gesundheitsversorgung und ihren sozialen Status auswirken. Im Gegensatz dazu ist Adultismus eine Form der Diskriminierung, die sich gegen jüngere Menschen wendet und sich in mangelndem Respekt für deren Meinung, dem Ausschluss von Entscheidungsprozessen und eingeschränkten Möglichkeiten der persönlichen und beruflichen Entwicklung äußern kann.

Schluss damit, kann ich nur entgegnen und plädiere für ein generationsübergreifendes Miteinander in Unternehmen und im sozialen Alltag. Dafür habe ich den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt und 2021 eine Non-Profit-Initiative namens JOINT GENERATIONS gegründet, die die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen den Generationen verbessern will. Es gibt viele Initiativen, die sich um die Belange der jüngeren Generationen – insbesondere der Gen Z –, und einige, die sich um die Belange der älteren Generationen kümmern. Genau hier setzen wir an. Wir engagieren uns für alle Generationen gleichermaßen und verstehen uns als Stimme, Sprachrohr, Heimatort und Energiequelle für eine altersdiverse Gesellschaft.

Unser Credo: Die Zukunft ist jung UND alt. Weil wir nur zusammen und auf Basis gegenseitiger Wertschätzung und gegenseitigem Vertrauen zukünftige Umbrüche, Aufbrüche und Durchbrüche zum Wohle aller gestalten können.

Mit meiner Arbeit und auch mit diesem Buch will ich mich einmischen, vermitteln, verbinden. Ja, auch den Finger in Wunden legen. Manche sagen, ich wäre stur. Da ist sicherlich was dran. Aber es will mir einfach nicht in den Kopf:

Ich werde nie wissen, wie es ist, ein weißer Mann oder eine weiße Frau zu sein, ein Mensch mit angeborener Beeinträchtigung oder mit Aussicht auf ein dickes Erbe. Aber ich weiß, wie es sich anfühlt, Kind, Jugendliche und junge Erwachsene zu sein. Diese Phasen habe ich bereits durchlebt. Seit meiner Geburt befinde ich mich wie meine Mitmenschen auf...

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