Tanzen im Sitzen - Tanzformen einsetzen und selbst entwickeln
von: Sandra Köhnlein
Tectum-Wissenschaftsverlag, 2016
ISBN: 9783828865006
Sprache: Deutsch
164 Seiten, Download: 1381 KB
Format: EPUB, PDF, auch als Online-Lesen
5 Krankheitsformen
im Überblick
In diesem Kapitel erhalten Sie einen groben Überblick über verschiedene Krankheitsformen. Erkrankungen und Beeinträchtigungen, egal welcher Form, wirken sich auf Körpersprache, Fitness, Verhalten und nicht zuletzt auf das Gefühlsleben aus. Das Wissen über anhaltende körperliche und geistige Einschränkungen einer betreuten Person ist für Ihre Arbeit unerlässlich, um daraus zu schlussfolgern, was Sie ihr zutrauen können, welche körperlichen und geistigen Grenzen Sie nicht überschreiten sollten sowie welche Bedürfnisse sie haben könnte. Das Wissen um anhaltende seelische Probleme ist notwendig, um daraus zu schließen, welche Sorgen und Nöte jemand hat und welche Aktivitäten Sie für diese Person gezielt planen können.
Außerdem führt der Blick auf Schwächen eines Menschen auch zu seinen Stärken. Wenn Sie seinen Schwächen entgegenstellen, welche Kompetenzen noch erkennbar sind, welche Tätigkeiten er noch ausführen kann, welche Gedankengänge er noch vollziehen kann, woran er Freude hat und so weiter, erhalten Sie ein Gesamtbild des geistigen, seelischen und körperlichen Zustands. Und Ihr Blick auf diesen wird von positiven Gedanken geleitet. Was Sie über eine von Ihnen betreute Person denken, spiegelt sich bewusst oder unbewusst in Ihrem Verhalten ihr gegenüber wieder.
Beeinträchtigungen durch Krankheit oder Unfall
Krankheiten, die andere Erkrankungen nach sich ziehen und dadurch eine eigenständige Bewältigung des Alltags verhindern, kommen vor allem im Seniorenalter häufig vor. Beeinträchtigungen durch körperliche Schädigungen aufgrund von Unfällen oder Gewalteinwirkung gibt es dagegen selten, können Ihnen aber in Pflegeeinrichtungen durchaus auch begegnen. Besonders bei Unfällen haben Patienten keine Möglichkeit, sich auf das neue Leben vorzubereiten, diejenigen mit Langzeitschäden sind von heute auf morgen gehandicapt. Symptome, unter denen viele Patienten durch Folgeerkrankungen oder Unfälle leiden, sind zum Beispiel:
Lähmungen
Amputationen
Fehlfunktionen des Körpers
Einschränkungen im Bereich der Wahrnehmung
Einschränkungen im Bereich der Motorik
Einschränkungen im Bereich des Erinnerungsvermögens
Einschränkungen im Bereich der Intelligenz
Psychische Probleme
Inwieweit die von Unfällen oder Folgeerkrankungen Betroffenen Hilfe im Alltag brauchen, hängt von der Schwere des Krankheitsbildes und den Möglichkeiten der Rehabilitation ab.
Schmerzzustände
Schmerz ist ursprünglich ein Schutzmechanismus des Körpers, ein Warnsignal. Unterschieden wird zwischen Schmerzen des Bewegungsapparats, Kopfschmerzen, Nervenschmerzen, Schmerzen durch Tumorleiden, Schmerzen durch mechanische Einwirkung oder durch starke Kälte- oder Wärmeeinwirkung. Länger andauernde Schmerzzustände greifen tief in den Alltag ein:
Abnahme körperlicher und psychischer Belastbarkeit
Zunahme körperlichen Schonverhaltens
Zunahme von Anspannung und Erschöpfung
Probleme im Bereich des Schlafes und der Sexualität
Abnahme von Lebensfreude und positivem Selbstwertgefühl
Fortschreitender sozialer Rückzug
Psychische Erkrankungen können durch Schmerzzustände charakterisiert sein, obwohl medizinisch körperliche Ursachen ausgeschlossen sind, welche diese Schmerzen oder das Ausmaß dieser Schmerzen hervorrufen könnten. Betroffene empfinden diesen körperlichen Schmerz aber mit allen Konsequenzen, so dass sich diese zu Recht zutiefst missverstanden fühlen, wenn die Umwelt ihr Leiden als bloße »Einbildung« abwertet.
Jeder von uns empfindet Schmerz anders. Inwieweit diese Schmerzen den Alltag beeinträchtigen, ist bedingt durch die Intensität des Schmerzes, die Dauer des Schmerzzustandes, die Schmerzursache und die Behandlungsmöglichkeiten des Schmerzzustandes. Schmerzen greifen in jedem Fall massiv in unsere Lebensweise und Verhaltensweise gegenüber unserer Umwelt ein. Menschen mit Schmerzzuständen wirken gereizt und abweisend und werden Ihnen in Pflegeeinrichtungen und Betreuungsgruppen häufig begegnen.
Schlafstörungen
Schlafstörungen sind Begleitsymptome anderer Erkrankungen oder treten als eigenständige Erkrankung auf. Wer in der Nacht nicht gut geschlafen hat, merkt dies am Tag – Schlafstörungen beeinträchtigen die Stunden des Wachseins maßgeblich. Oft kommt es zu einem Kreislauf aus Schlaflosigkeit und Frustration. Ursachen von Schlafstörungen sind vielfältig, zum Beispiel eine ungünstige Schlafumgebung (wie Licht, Lärm, Wärme), die Einnahme schlafbeeinflussender Substanzen (wie koffeinhaltige Getränke, Medikamente, Alkohol), psychische Einflüsse (wie Stress, Belastungen, Konflikte), ungünstige Schlafgewohnheiten (wie mangelnde Bewegung am Tag, zu spätes Ins-Bett-Gehen, Anschauen sich negativ auswirkender Fernsehsendungen), organische Ursachen (wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rheuma, Krebs) oder eine genetisch bedingte Anfälligkeit. Unterschieden wird bei Schlafstörungen zwischen:
Problemen einzuschlafen
Problemen, längere Zeit durchzuschlafen
Problemen durch Alpträume / belastende Träume
Problemen mit der Luftzufuhr oder Sauerstoffgewinnung beim Schlafen
Problemen durch ein erhöhtes Schlaf- und Ruhebedürfnis
Problemen durch einen veränderten Tag-Nacht-Rhythmus
Problemen durch Schlafwandeln, Schnarchen oder Zähneknirschen
Dauerhafte Schlafstörungen beeinflussen den Alltag beträchtlich. Die eigene Leistungsfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit und Geschicklichkeit lässt nach, Versagensängste, Lustlosigkeit und Nervosität nehmen zu. Die eigenen Abwehrkräfte werden schwächer, und man ist empfindlicher gegenüber äußeren Reizen wie etwa Schmerz oder Lärm. Längerfristig können sogar organische Funktionen wie zum Beispiel Herztätigkeit oder Stoffwechsel beeinträchtigt werden. Durch fehlende Erholungsphasen gerät also der ganze Organismus aus dem Gleichgewicht. Wer nicht regelmäßig ausreichend zu einem erholsamen Schlaf kommt, ist im wahrsten Sinne des Wortes ein anderer Mensch.
Mit zunehmendem Alter treten Schlafstörungen besonders häufig auf, da die Produktion des körpereigenen Schlafhormons nachlässt. Auch Senioren, die erst vor kurzem in die Pflegeeinrichtung gezogen sind, berichten von Schlafstörungen. Hinzu kommt, dass mit vielen Erkrankungen Schmerzzustände einhergehen und dadurch ein gesunder Schlaf verloren geht. Menschen mit Schlafstörungen begegnen Ihnen in Pflegeeinrichtungen und Betreuungsgruppen täglich.
Suchterkrankungen
Unter Sucht versteht man ein unabweisbares Verlangen nach einem bestimmten Gefühls-, Erlebnis- und Bewusstseinszustand. Suchtmittel sind in erster Linie Alkohol, Tabletten, Drogen, Essen (übermäßiger Genuss oder Ablehnung), Sport oder Arbeit. In weiterem Sinne können hier auch Zwangshandlungen genannt werden, darunter Ordnungszwang, Kontrollzwang, zwanghafte Selbstverletzung oder zwanghaftes Horten.
Suchtmittel werden von Menschen aller gesellschaftlichen Gruppen und aller Altersgruppen konsumiert. Es ist außerdem nicht so, dass nur willensschwache und labile Menschen abhängig werden können. Die Persönlichkeit eines Menschen, seine persönliche Lebensgeschichte, sein Lebensumfeld und die Droge selbst (Art, Wirkung, Verfügbarkeit) können eine Suchterkrankung lediglich begünstigen – einen zwangsläufigen Zusammenhang gibt es nicht.
Suchtkranke verlieren die Fähigkeit, rational und bewusst zu entscheiden. Zwischenmenschliche Beziehungen leiden zutiefst. Die Abhängigkeit bestimmt den Tagesablauf, bestimmt Denk- und Handlungsweisen und prägt den Umgang mit anderen – das Suchtmittel oder das Erreichen eines gewünschten Zustandes sind Mittelpunkt des Lebens. Je nach Suchtstoff treten weitere psychische, soziale und körperliche Folgen auf, zum Beispiel:
Interessenverlust, Stimmungsschwankungen, Unruhe, Anspannung, Gedächtnislücken, Halluzinationen, Verlust des Zeit-Raum-Empfindens
Verlust des Hunger- und Durstgefühls, Veränderung des Körpergefühls
Verheimlichung, Verleugnung, Schuldgefühle
Vergiftungen bis hin zu Leberschädigungen, Nervenschädigungen, Nierenschädigungen, Herzrasen, Atemnot oder Koma
Substanzmissbrauch und -abhängigkeit sind auch im höheren Lebensalter häufig anzutreffen. Vor allem der Missbrauch und die Abhängigkeit von Medikamenten oder Alkohol sind bei Senioren verbreitet.
Demenzerkrankungen
Demenzerkrankungen sind Erkrankungen des Gehirns und der Nervenzellen im Gehirn. Demenzerkrankungen unterscheiden sich deutlich von einer Altersvergesslichkeit mit unauffälligen Gedächtnisstörungen und mit fortschreitendem Alter gleichbleibenden Verhaltensweisen.
Zum einen sind primäre Demenzformen mit hirnorganischen Veränderungen gemeint. Durch Ablagerungen in Nervenzellen, Veränderungen von Blutgefäßen oder das Absterben von Nervenzellen werden unumkehrbare Schäden im Gehirn verursacht. Behandelt werden können lediglich Symptome. Zum anderen können sekundäre Demenzformen auftreten, bei denen die Demenz Folge einer anderen Erkrankung ist, darunter Infektionserkrankungen, Stoffwechselerkrankungen, Vergiftungserscheinungen, Vitaminmangelzustände, Depressionen, Hirntumore oder eine Abflussstörung von Hirnrückenmarksflüssigkeit. Andere Einflüsse, beispielsweise genetische Faktoren, Lebensgestaltung oder...