Mit Sprache erinnern - Kommunikative Spiele mit Menschen mit Demenz

Mit Sprache erinnern - Kommunikative Spiele mit Menschen mit Demenz

von: Monika Paillon

ERNST REINHARDT VERLAG, 2022

ISBN: 9783497615834

Sprache: Deutsch

142 Seiten, Download: 1582 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Mit Sprache erinnern - Kommunikative Spiele mit Menschen mit Demenz



Vorwort

„Noch ein Buch zum Thema Demenz, ist das wirklich nötig?“, werden Sie sich vielleicht fragen, wenn Sie es entdecken. „Gibt es nicht genügend Anleitungen und Arbeitshefte zum Thema ‚Gruppenarbeit mit Senioren‘?“ Es gibt eine Menge, sehr viele habe ich gelesen und durchgearbeitet, gute, sehr gute und anspruchsvolle.

Den Nutzen dieses Buches werden Sie entdecken und zu schätzen wissen, wenn Sie es in gemischten Gruppen einsetzen. Genau aus dieser Notwendigkeit heraus habe ich es auch geschrieben, denn in Zeiten knapper Personalressourcen sind wir doch oft aufgerufen, gemischte Gruppen (Jung und Alt, Senioren mit und ohne Demenz . . .) anzuleiten und zu betreuen. Viele Tipps, Informatives und Fallbeispiele sind in den Vorworten zu jedem Kapitel zu finden, welche die Arbeit der sozialen Betreuung sowohl im privaten Bereich als auch in der professionell ausgerichteten Arbeit im Seniorenheim, einer Tagesstätte oder des mobilen Dienstes erleichtern und beleben.

Kürzlich las ich einen Bericht über den alljährlich stattfindenden „Pflegegipfel“ in Hannover, die Auftaktveranstaltung der erfolgreichsten Messe der Altenpflegebranche. Angeblich haben 60% der Bevölkerung Erfahrungen in der Pflege, 30% der pflegenden Angehörigen seien depressiv – Zahlen, die berühren.

Meiner Meinung nach legt der gesellschaftliche Umgang mit Senioren die Annahme nahe, dass ältere Menschen nicht mehr als aktive, mitverantwortlich handelnde Bürger angesprochen werden, wir bringen ihrem Wissen und ihrer erbrachten Leistungen nicht entsprechenden Respekt und die nötige Wertschätzung entgegen. Zudem appellieren wir zu wenig an ältere Menschen, ihr ideelles Kapital in einer mitverantwortlichen Weise einzusetzen – z. B. durch dessen Weitergabe an nachfolgende Generationen.

In meinem persönlichen Arbeitsumfeld, dem sozial-kulturellen Dienst einer großen Seniorenresidenz, erlebe ich täglich, wie wichtig es gerade für ältere und selbst hochbetagte Menschen ist, sie zu integrieren, die „Kraft des Alters“ zu erkennen, diese Kräfte einzubeziehen und zu nutzen, sie als Gewinn zu sehen und nicht vorrangig die mit dem Alter verbundenen Belastungen in den Vordergrund zu stellen.

Demenzerkrankung und vornehmlich die Alzheimer-Krankheit als die häufigste und folgenreichste psychiatrische Erkrankung in höherem Alter ist natürlich nicht zu unterschätzen. Die Anzahl der Neuerkrankungen beträgt nach Informationen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft jährlich ca. 200 000 in Deutschland. Fortschreitend gehen im Laufe der Erkrankung des Gehirns wichtige Funktionen, das Gedächtnis, die räumliche Orientierung, das Sprachvermögen langsam verloren. Stellen wir uns einmal vor, durch eine neurologische Erkrankung oder einen Unfall das Gedächtnis, unser Erinnerungsvermögen, zeitweise oder gar auf Dauer zu verlieren, uns weder im Raum noch in der Zeit orientieren zu können – praktisch ohne Wurzeln zu leben. So kann man leicht nachvollziehen, dass der Biografiearbeit und Erinnerungspflege in der Altenarbeit ein großer Stellenwert eingeräumt werden sollte.

Für Menschen mit Demenz ist diese Erinnerungspflege, die über alle Sinne wahrgenommen wird, oft ein letzter Halt im Strom des Vergessens. Aus emotional positivem Erleben schöpfen sie Lebensenergie und Selbstbewusstsein. Selbst Demenzkranke im späten Stadium ihrer Krankheit haben ein sehr feines Gespür für Akzeptanz, Annahme, persönliche Achtung und Integrität.

Wir sollten soziales und pflegerisches Handeln einmal überdenken und unter Umständen mit kleinen Veränderungen im täglichen Umgang, der Pflege und Betreuung, das Leben und die Arbeit mit dementen Menschen für beide Seiten leichter und befriedigender gestalten. Durch die Förderung der kommunikativen Fähigkeiten, die alle Sinne ansprechen können, ist es uns möglich, entscheidend zur Verbesserung der Lebensqualität Demenzkranker beizutragen.

Ich habe verschiedene Themen zusammengestellt und gemeinsam mit den Senioren unserer Residenz Erinnerungen und alte Bräuche aufgearbeitet, um auch zu meinen Wurzeln zu finden.

Durch Gespräche Meinungen und Hintergründe zu erfahren ermöglicht beiden Seiten ein besseres Kennenlernen und mehr Verständnis füreinander.

Besonders die Arbeit in der gemischten Gruppe, gemeinsam mit demenzkranken Bewohnern unserer Seniorenresidenz, ist mittlerweile nicht nur zu meiner persönlichen Betreuungs- und Beschäftigungsaufgabe geworden. Alle sehen sich in der Verantwortung, sie „mitzunehmen“, zu integrieren und zu akzeptieren, unsere dementen Freunde und Mitbewohner in ihrer manchmal „verrückten“ Welt abzuholen.

Dabei kommt es nicht darauf an, perfekt zu sein, sondern ein „Händchen zu entwickeln“, was so viel bedeutet wie: einfühlsam und respektvoll, manchmal auch ganz spontan auf die Bedürfnisse des Einzelnen einzugehen und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen, eine Gemeinschaft zu entwickeln.

Kennen Sie den Begriff „blindes Verstehen“? Oftmals kommt er mir bei der Betreuung schwer Demenzkranker in den Sinn. Wahrscheinlich werden wir den Verlauf der Krankheit auch mit all unseren Bemühungen nicht aufhalten können, aber durch kontinuierliches Arbeiten vielleicht Zeit gewinnen. Zeit, die unsere Schützlinge brauchen, eventuell verdeckte, alte Gefühle und Ereignisse aufzuarbeiten und auch mit sich selbst ins Reine zu kommen.

Das Ziel ist, in jeder Phase der Demenz eine befriedigende Kommunikation aufzubauen, sei sie auch später nonverbal und durch sanfte Berührungen ersetzt. Mit der Bereitschaft, die Realität Demenzkranker in jeder Phase ihrer Befindlichkeit anzunehmen, geben wir ihnen die Möglichkeit, bis zuletzt in Würde und Integrität zu leben, was, nach Naomi Feil, das erstrebenswerte Ziel unserer Arbeit sein sollte. Auf dem Weg dahin gibt es noch viel Schönes und Bemerkenswertes zu erleben, arbeiten wir daran!

Die einzelnen Kapitel dieses Buches sind in der Regel nach der mittleren Phase der Demenz ausgerichtet, oftmals mangelhaft orientierte oder zeitverwirrte Teilnehmer Ihrer Gruppe werden sich noch sehr gut der alten Begriffe, Redewendungen und Lieder erinnern. Die meisten Aktivitäten können sie noch eigenständig durchführen, oder sie bedürfen einer geringen Anleitung. Sehen Sie die Wortsammlungen und Redewendungen nicht unbedingt als Anreiz, diese zu suchen und zu sammeln, sondern vielmehr als Hilfestellung, persönliche Themen daraus zu entwickeln und immer wieder neue Gesprächsaufhänger zu schaffen, auch Aktivitäten daraus zu entwickeln. Mancher Spruch ist vielleicht regional nicht so bekannt? Vielleicht erinnert sich jemand aus Ihrer dementen Gruppe an die Bedeutung. Lassen Sie sich den Sinn der Volksweisheit, vielleicht auch den Hintergrund erklären – es steigert das Selbstwertgefühl Ihrer „Patienten“ und hat ein großes Lob verdient!

Innerhalb der Einführung zu jedem Kapitel finden Sie Hinweise zum Umgang mit Demenzerkrankten in der Spätphase. Beziehen Sie die alten Menschen auch dann weitmöglichst in den gemeinsamen Kreis ein, sie werden es genießen.

„Fördern, ohne zu überfordern“ ist der „rote Faden“ dieses Buches, begleitet von meinem persönlichen großen Wunsch, dass Demenzerkrankungen eines Tages wirksam behandelt werden können.

So ist dieses Buch ganz langsam entstanden, in vielen geselligen, lustigen, lehrreichen Stunden. Im Grunde genommen ist die Autorenliste sehr, sehr lang.

Dafür bedanke ich mich ganz herzlich, bei den Bewohnern der Seniorenresidenz, meinem Lebensgefährten, meinen Kindern und bei allen, die ihren Beitrag in einer Redewendung oder den Wortsammlungen wiederfinden.

Heute stelle ich es gerne all jenen zur Verfügung, die Freude an der Senioren- und Demenzarbeit haben und den Sinn ihrer Arbeit mit älteren Menschen darin sehen, aufbauend auf dem reichen Erfahrungsschatz der Senioren, Erinnerungen zu wecken, wertschätzende Anregungen zu geben und ergebnisorientiert zu arbeiten.

Es freut mich, wenn professionelles Pflegepersonal den eigenen Rhythmus einmal überdenkt und Anregungen findet, die Lebensqualität Demenzerkrankter zu verbessern und in einer entspannten Atmosphäre kritische Situationen zu entschärfen.

Sozialen Betreuern und aktiven Ehrenamtlichen wünsche ich, dass sie einen effektiven Weg finden, Demenzkranke auf spielerische Art und Weise zu motivieren und den alten Menschen würdevoll – unter Berücksichtigung des persönlichen Befindens – ein Gefühl der Zugehörigkeit und Wertschätzung zu vermitteln.

Für die „Pflege daheim“ habe ich geeignete Anregungen zur Verbesserung des Wohnumfelds und des täglichen Umgangs mit Demenzkranken erarbeitet, die ein selbständiges, eigenverantwortliches Leben erleichtern und verlängern, aber auch den eventuellen Einzug in ein Pflegeheim freundlicher gestalten können.

Ich wünsche Ihnen in Ihren Gruppenstunden und Ihrer...

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