Gemeinsam Natur erleben

Gemeinsam Natur erleben

von: Dr. Budliger, Michael Blank

Vincentz Network, 2022

ISBN: 9783748605126

Sprache: Deutsch

140 Seiten, Download: 12932 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Gemeinsam Natur erleben



2Außenbereiche: Wirkung und Entstehung


2.1Die Entstehung der Außenanlagen im Johanneshaus


Christoph Göbel

Christoph Göbel ist ausgebildeter Gartenbaumeister und war zusammen mit seiner Frau für die Konzeption und den Aufbau der Außenanlagen des Johanneshauses verantwortlich.

 

Das Höchste
Suchst du das Höchste, das Grösste?
Die Pflanze will es dich lehren.
Was sie willenlos ist, sei du es wollend –
Das ist’s!

(Friedrich Schiller)

Das Johanneshaus ist eingebettet in eine reizvolle, hügelige Landschaft, die dem Haus eine besondere Attraktivität verschafft. Weit weniger reizvoll war dagegen der Bauplatz des Johanneshauses und seine unmittelbare Umgebung, als im Jahr 1973 die ersten Erdarbeiten und im Frühjahr 1975 die Bauarbeiten an den Gebäuden begannen. Letztere liegen an einem Nordhang, der sehr flachgründig ist und einen hohen Muschelkalkanteil aufweist. Für die Schaffung der Außenanlagen erwiesen sich diese drei Faktoren als problematisch, da dies die Bepflanzung stark verkomplizierte. Letztlich handelte es sich um nicht viel mehr als eine
8,5 Hektar große Schotterwüste, denn der vorhandene Mutterboden hatte eine Dicke von lediglich zehn Zentimetern und eignete sich nur für völlig anspruchslose Pflanzen.

Mit dem Aufbau der Außenanlagen wurden Christoph Göbel und seine Frau Emmie beauftragt. Beide hatten langjährige Erfahrung im Gartenbau: Christoph Göbel war ausgebildeter Gartenbaumeister und seine Frau hatte in den Niederlanden eine Land- und Gartenbauschule besucht. Am Goetheanum im Schweizer Kanton Solothurn hatten sie gemeinsam über Jahre hin die Außenanlagen erweitert und gepflegt. Dr. Schachenmann, der aus der Schweiz kommende Gründer des Johanneshauses, lud das Ehepaar Göbel dazu ein, nach Öschelbronn zu kommen und dort den Aufbau der Außenanlagen auf Basis anthroposophischer Prinzipien zu übernehmen.

Seinen ersten Besuch auf der Baustelle des Johanneshauses beschrieb Christoph Göbel mit folgenden Worten:

„Alles wirkte grau. Der triste Rasterbau ohne Farben mit Flachdach, das durch die enormen Baumaßnahmen ruinierte Gelände fast ohne Pflanzen. Das Gelände war ohne Gummistiefel unbetretbar. Regen und Baumaschinen hatten es so bearbeitet, dass Matsch und Nässe dominierten. Da keine Stiefel zur Hand waren, ließ ich mich zum siebten Stock führen, um von dort aus das Land zu überblicken. Die Grenzen waren bald auszumachen: soweit die Verwüstung reichte, gehörte das Land zum Johanneshaus.“ (Chronik des Gartens, in: Johanneshaus-Rundschau, 1997, Heft 1, S. 5)

Ausschlaggebend für die so vorgefundene Situation waren sowohl die Beschaffenheit der obersten Bodenschichten als auch die Folgen, die die Bautätigkeiten hinterlassen haben. Den dabei angefallenen Aushub hatte man über das gesamte Gelände verteilt und an manchen Stellen wies dieser eine Dicke von drei Metern auf. Hierzu nochmals Christoph Göbel, der seinen zweiten Besuch in Öschelbronn, diesmal zusammen mit seiner Frau, folgendermaßen beschreibt:

„Der ausgebreitete Unterboden, mehr Muschelkalk als Lehm, ließ uns über Schotterhalden laufen. Die schonungslose Misshandlung der Natur, die sich hier deutlich offenbarte, ließ einem das Gärtnerherz zusammenkrampfen. Obwohl die Verwüstung vermutlich schon mindestens zwei Jahre so da lag, wuchs auf großen Flächen kein Kraut. Nur wenige Einzelgänger, Pioniere, konnten wir finden. Zum Glück hat uns die Trostlosigkeit nicht übermannt. Wir nahmen diese Aufgabe als Herausforderung an. Was nötig war, war ja deutlich zu erleben und leicht zu verstehen: Das Land trauerte und hungerte.“ (Chronik des Gartens, in: Johanneshaus-Rundschau, 1997, Heft 1, S. 5)

Die drängendste Aufgabe der am 1. April 1975 begonnenen Arbeiten lag zunächst darin, den Mutterboden so zu verbessern und aufzubauen, dass man dort überhaupt etwas anderes als Pionierpflanzen einsetzen konnte. Wie sich herausstellte, war dies kein einfaches Unterfangen, denn die kleine Erdschicht konnte nicht ohne beträchtlichen Aufwand vergrößert werden. Hierzu wurde zunächst ein großer Kompostplatz angelegt und über Spenden konnte ein Traktor angeschafft werden, der für die anstehenden Arbeiten dringend benötigt wurde. Mit diesem Traktor holte Christoph Göbel von einer Reitanstalt in Pforzheim beträchtliche Mengen an Pferdemist sowie organische Abfälle vom dortigen Schlachthof, um sie in Öschelbronn zu kompostieren. Der so entstandene Komposthaufen hatte mit einer Länge von 20 Metern, einer Breite von fünf Metern und einer Höhe von knapp zwei Metern beachtliche Ausmaße. Die ersten Pflanzen für die Außenanlagen des Johanneshauses wurden auf diesem Komposthaufen gezogen, insbesondere in Frühbeetkästen, in denen junge Pflanzen besonders gut gedeihen.

Zur gleichen Zeit wurde eine kleine Baumschule angelegt, die der Heranzüchtung der Bäume und Sträucher aus einjährigen Sämlingen diente, die später im Park und in den Gärten des Johanneshauses angebaut werden sollten. Allerdings war auch dies nicht einfach, denn das Gelände des Johanneshauses eignete sich nicht für die Anlage einer Baumschule. Christoph Göbel fand ein geeignetes Areal in rund einem Kilometer Entfernung, das aber nur gepachtet, nicht gekauft werden konnte. Nachdem die ersten Bäume in der Baumschule standen, kam es zu Auseinandersetzungen innerhalb der Familie des Grundstückseigentümers und nur aufgrund intensiver Bemühungen konnte deren Schließung vermieden werden. In der Folgezeit wurde die Baumschule erweitert, womit dort alle Bäume und Sträucher gezüchtet werden konnten, die für die Außenanlagen des Johanneshauses benötigt wurden.

Christoph und Emmie Göbel standen gleichzeitig vor der komplizierten Aufgabe, neben dem Aufbau des Mutterbodens die grundlegende Anlage des Gartens zu konzipieren. Dieser sollte, wie bereits betont, auf anthroposophischen Prinzipien beruhen und die Voraussetzungen schaffen, dass den BewohnerInnen des Johanneshauses Garten- und Parkanlagen zur Verfügung standen, in denen sie sich gerne aufhielten und möglichst viel Zeit verbrachten. Um dies zu bewerkstelligen, folgte das Ehepaar Göbel einem Ansatz, der stark praktischen Erwägungen folgte. Deshalb setzte man sich nicht ans Reißbrett und entwickelte einen Plan. Vielmehr wurde versucht, die vorgefundenen Verhältnisse und insbesondere die Hanglage so zu nutzen, dass trotz der schwierigen Startbedingungen ein naturnahes und attraktives Lebensumfeld für die BewohnerInnen des Johanneshauses geschaffen werden konnte.

Die Gedanken, die ihn bei der Entwicklung des Konzeptes für Park und Garten leiteten, beschrieb Christoph Göbel in folgender Weise:

„Üppiges, gedeihendes Wachstum musste her – in großer Vielfalt, denn das individuelle Leben der vielen Menschen, die aus vielen Gegenden hierher strömen würden, will sich ja in der umgebenden Pflanzenwelt widerspiegeln, sich wieder finden. Die starken Eindrücke der ersten Besuche hatten ihre Folgen, wirkten weiter: Ein inneres Zukunftsbild, eine Vision begann sich zu entwickeln. Wenn dieses Bild auch bald konkrete Formen annahm, so steht es doch immer vor uns, verlangt ständig nach neuen Anregungen, will weiter gestaltet werden, damit die Entwicklung des (nie fertigen) Gartens auch in die Zukunft weiter gelenkt werden kann.“ (Chronik des Gartens, in: Johanneshaus-Rundschau, 1997, Heft 1, S. 5)

In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass das Johanneshaus bereits ein halbes Jahr nach der Einweihung vollständig belegt war. Dies war für die Initiatoren des Projekts eine große Überraschung, bedeutete aber gleichzeitig, dass die Umwandlung der Schotterwüste in Garten- und Parkanlage von den beobachtenden und erwartungsvollen Augen der BewohnerInnen begleitet wurde. Angesichts der vorgefundenen Verhältnisse erforderte der Aufbau der Anlagen ein gehöriges Maß an Geduld und war begleitet von beträchtlichen Anstrengungen. In der Folge führte dies dazu, dass sieben Jahre für den Aufbau des Parks sowie der Gärten benötigt wurden.

Neben der Kompostierung und der Heranzüchtung von Bäumen in der Baumschule galt es zunächst den Boden aufzulockern. Dieser war im Gefolge der Bauarbeiten und die damit verbundenen unzähligen Transporte so stark verdichtet, dass er nicht einmal mit einer, mit mehreren Reißhaken ausgerüsteten Raupe ausreichend aufgelockert werden konnte. Zudem musste eine große Zahl von Steinen aus dem Areal entfernt werden. Dies war eine wichtige, aber gleichzeitig anstrengende und kräftezehrende Aufgabe, die von Studenten aus verschiedensten Ländern übernommen wurde. Letztere gruben über drei Jahre hinweg die Steine aus dem Boden und transportierten sie weg. Sie schufen auf diese Weise die Voraussetzungen, um einen fruchtbaren Mutterboden gewinnen zu können, wobei das aus der Kompostierung gewonnene Material hierbei die wohl wichtigste Voraussetzung darstellte.

Nachdem ein ausreichender Mutterboden in der unmittelbaren Nähe der Gebäude geschaffen worden war, konnte die erste Aussaat vorgenommen werden. Verwendet wurden dabei Gräser, verschiedenen Kleearten und Wiesenkräuter, die auch unter den kargen Bedingungen des stark kalkhaltigen Bodens wachsen konnten. In einer zweiten Phase wurden Sonnenblumen gepflanzt, die die ersten, von vielen BewohnerInnen lang ersehnten Farbtupfer in das bis dahin öde Areal...

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