Transkulturelle und transkategoriale Kompetenz - Lehrbuch zum Umgang mit Vielfalt, Verschiedenheit und Diversity für Pflege-, Sozial- und Gesundheitsberufe

Transkulturelle und transkategoriale Kompetenz - Lehrbuch zum Umgang mit Vielfalt, Verschiedenheit und Diversity für Pflege-, Sozial- und Gesundheitsberufe

von: Dagmar Domenig

Hogrefe AG, 2021

ISBN: 9783456757537

Sprache: Deutsch

752 Seiten, Download: 35042 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Transkulturelle und transkategoriale Kompetenz - Lehrbuch zum Umgang mit Vielfalt, Verschiedenheit und Diversity für Pflege-, Sozial- und Gesundheitsberufe



Foto: Sandro Cattacin

Einleitendes Vorwort


Die 3. Auflage des damals noch im Verlag Hans Huber erschienenen Lehrbuchs „Transkulturelle Kompetenz – Lehrbuch für Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufe“ wurde nicht nur thematisch um Behinderung und andere Kategorien mit einem Diskriminierungsrisiko erweitert, sondern auch völlig neu strukturiert. Zudem konnte ich elf neue Autorinnen und Autoren gewinnen, neben den bisherigen 16 Autorinnen und Autoren, die ihre Kapitel zum Teil ganz neu geschrieben oder zumindest aktualisiert haben. Auch habe ich mehrere Kapitel vollständig überarbeitet, Kapitel der 2. Auflage von anderen Autorinnen übernommen und neu geschrieben – wie das Kapitel zum Kulturbegriff oder zur Medizinanthropologie – oder deren Überarbeitung übernommen, wie das Kapitel zum qualifizierten Dolmetschen. Einige der Kapitel aus der 2. Auflage haben in diese Auflage keinen Eingang gefunden. So ist ein umfassendes neues Werk zustande gekommen, das nun vom Hogrefe Verlag (ehem. Verlag Hans Huber) publiziert wird.

Die hauptsächliche Änderung ist dabei inhaltlicher Art, nämlich, wie es schon der Buchtitel besagt, die transkategoriale Ausweitung des Begriffs der transkulturellen Kompetenz. Setzten sich die 1. und 2. Auflage ausschließlich mit Themen der Migration und dem Umgang von Fachpersonen mit der entsprechenden Zielgruppe auseinander, beschäftigt sich die vorliegende Publikation mit der Intersektionalität beziehungsweise mit den Kategorien von Diskriminierungen, die aufgrund unterschiedlicher Dimensionen – wie beispielsweise Migration und Behinderung – auch zu Mehrfachdiskriminierungen führen können. Bezugnehmend auf den von Kimberlé Crenshaw Anfang der 1990er-Jahre konzipierten Begriff der Intersektionalität (Crenshaw, 1991), wird in diesem Lehrbuch versucht, Diskriminierung und deren Auswirkungen in der Praxis des Gesundheits- und Sozialwesens nicht nur im Migrationskontext zu untersuchen, sondern gleichermaßen auch in Bezug auf andere Kategorien – wobei hier der Fokus neben Migration neu auch auf Behinderung gerichtet wird. Dies nicht, weil nur Migration und Behinderung und deren Kombination zu Diskriminierungen führen können, sondern weil diese exemplarisch auch für andere Kategorien, wie Gender, sexuelle Orientierung, Alter, krankheitsbedingte Beeinträchtigungen usw. stehen sollen. Denn es soll eben gerade nicht darum gehen, jede Kategorie einzeln abzuhandeln, mit dem Ziel entsprechende Spezialisierungen zu fördern, sondern den Blick aufs Ganze zu schulen: Inwiefern hängen die Pluralisierung unserer Gesellschaften und Verschiedenheit zusammen? Warum führt das Anderssein zu Diskriminierungen? Welche Folgen haben Diskriminierungen für den einzelnen Menschen? Was können wir als Fachpersonen solchen Ausgrenzungen im Gesundheits- und Sozialwesen entgegensetzen? Und wie tun wir das am besten? Solche und andere Fragen werden in diesem Buch behandelt.

Der Begriff transkategorial soll dabei – gleichermaßen wie der Begriff transkulturell – darauf verweisen, dass es nicht darum geht, Menschen nun statt mit der Migrationsbrille nur noch durch die Kategorienbrille zu betrachten. Vielmehr geht es auch hier darum, über die verschiedenen Kategorien hinaus ganz im Sinne der Bedeutung von trans den Menschen ins Zentrum der Behandlung, Pflege und Begleitung zu stellen und sich ausschließlich an dessen individuellen Bedürfnissen und Bedarf zu orientieren. Das Wissen über Kategorien, über Differenzen, über das Anderssein, über Stereotypisierungen und Vorurteile, über plurale Gesellschaften, über Kommunikation in unterschiedlichen Kontexten usw. dient allein dazu, das individuelle Gegenüber mit seinem Umfeld, im gegebenen Kontext und in einer spezifischen Situation besser zu verstehen, seine Äußerungen und Handlungen richtig zu interpretieren und dementsprechend daran auch Interventionen auszurichten.

Der Umgang mit Vielfalt und Verschiedenheit im Gesundheits- und Sozialwesen ist heutzutage nicht nur Herausforderung, sondern auch Aufforderung, sich dem zu stellen, was pluralen Gesellschaften immanent ist: das Anderssein als Normalität und nicht als Ausnahme, das Individuelle und nicht das Universelle als Standard sowie die Haltungsänderung und nicht das leicht vermittelbare Wissen als oberstes Prinzip. Doch Voraussetzung dafür sind Grundlagenkenntnisse über gesellschaftliche Dynamiken im Pluralismus, wovon der erste Buchteil handelt, indem diese Dynamiken aus ökonomischer, demografischer, mobiler und bürgerrechtlicher Perspektive behandelt werden. Kern pluraler Gesellschaften sind die zunehmend flüchtigen Kategorien, (fast) nichts mehr ist antizipierbar, vieles ist unsicher und ungewiss, alles ist im Wandel oder – so Zygmunt Bauman (2000) – verflüssigt sich, noch bevor es Form annehmen konnte. Darum geht es im zweiten Buchteil, indem wir die Kategorien fremde Kulturen, Migration, Religion und Behinderung historisch einordnen und zumindest teilweise auch dekonstruieren. Doch Menschen, die verschieden oder schlicht anders sind, werden nach wie vor ausgegrenzt und stigmatisiert, auch wenn der Maßstab, an dem sich das Normale misst, eigentlich in Auflösung begriffen ist. Diesem Thema nähern wir uns im dritten Buchteil an, indem wir uns mit Stigma und Ausgrenzung, Menschenfeindlichkeit und Entmenschlichung von Behindertsein, aber auch mit den diese begrenzenden Grund- und Menschenrechten befassen. Im vierten Buchteil werden Einblicke in verschiedene Lebenswelten gewährt, einschließlich von Faktoren mit negativem Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden. Auch hier soll der Blick dafür geschult werden, was neben dem offensichtlichen Problem auch sonst noch Menschen und somit auch die Interaktion mit Fachpersonen sowie die Behandlung, Pflege und Begleitung beeinflusst. Dabei geht es auch hier nicht um abschließende Aufzählungen, sondern um das Aufzeigen von Möglichkeiten, wie exemplarisch die unterschiedliche soziale Einbettung des Individuums oder der Umgang mit Altern. Indem hier auch komplexe Themen wie Lebenswelten von Migrationskindern, aber auch die Mädchenbeschneidung oder Traumatisierungen aufgegriffen werden, soll zudem ein Beitrag zu mehr Verständnis gegenüber Menschen mit schwierigen Erfahrungen geleistet werden. Im fünften Buchteil geht es dann – nach einer Einführung in medizinanthropologische Konzepte – konkret um die Gesundheitsversorgung mit einem Fokus auf Menschen mit Migrationserfahrung und/oder einer Behinderung. An konkreten Beispielen werden Problematiken in der Gesundheitsversorgung aufgezeigt und wie sie – mit einem professionellen Pflege- und Versorgungsprozess – überwunden werden können. Voraussetzung jeder erfolgreichen Interaktion im professionellen Kontext ist eine gute Kommunikation. Wie diese auch unter schwierigen Voraussetzungen gelingen kann, davon handelt der sechste Buchteil, indem unter anderem Empfehlungen zur nonverbalen und leiblichen Kommunikation auf der einen Seite und zum Umgang mit Leichter Sprache bei Menschen mit eingeschränkter Lautsprache sowie zum Einsatz von qualifizierten Dolmetschenden andererseits gegeben werden. Abschließend widmen wir uns im siebten Buchteil der Vermittlung der transkategorialen Kompetenz in der Lehre und Praxis. Hier werde ich auch die Entwicklung von der transkulturellen zur transkategorialen Kompetenz ausführlich herleiten. Die einzelnen Kapitel werden in den Einleitungen zu den jeweiligen Buchteilen detailliert vorgestellt und verortet.

Da es sich um ein Lehrbuch handelt, habe ich erneut versucht, das Buch redaktionell so zu bearbeiten, dass möglichst einheitliche Begrifflichkeiten im Buch vorkommen und das Prinzip der Transkategorialität als Leitmotiv möglichst durchgehend aufgenommen wird. So haben verschiedene Autorinnen und Autoren auch immer wieder versucht, nicht nur eine Kategorie, wie Migration, Behinderung, Kinder, Alter, psychische Beeinträchtigung usw., in ihrem Beitrag zu beleuchten, sondern Querverweise auf andere Kategorien oder deren Schnittmengen zu machen. Zudem gibt es erneut in allen Kapiteln Übungen, die die Selbstreflexion sowohl in der Lehre als auch in der Praxis anregen sollen. Ebenso werden die Texte durch diverse Fallbeispiele, Exkurse und Begriffsklärungen in Kästen aufgelockert. Ich habe weiter versucht, eine Form gendergerechter Sprache zu wählen, die auf letztlich schwerfällige große I oder andere Formen von Zeichensprache (/, _) verzichtet, mich dabei aber aus gleichen Gründen auch entschieden, auf die derzeit in zunehmendem Maße verwendeten Asteriske (*) zu verzichten. Es ist mir bewusst, dass ich damit trotz des transkategorialen Ansatzes in Bezug auf Geschlechtsidentitäten zwei sich ebenfalls in Auflösung begriffene Kategorien wie Mann und Frau reproduziere. Wenn möglich versuchte ich daher, neutrale Formen wie Zugewanderte, Arbeitskräfte, Menschen oder Personen zu wählen.

Die einzelnen Kapitel werden jeweils durch ein Bild getrennt. Diese Bilder erzählen auf eindrückliche Weise komplexe Geschichten von Anderssein und Verschiedenheit. Ein Teil dieser Bilder wurde mir freundlicherweise von Gabriele Schärer, der Frau des 2015 verstorbenen Fotografen Peter Dammann, zur Verfügung gestellt (https://dammann-lookat.ch). Die anderen Bilder durfte ich aus dem privaten Fotofundus von Sandro Cattacin auswählen. Beiden sei an dieser Stelle herzlich gedankt!

Sandro Cattacin hat nicht nur Bilder zur Verfügung gestellt, sondern ebenso am Buchkonzept aktiv mitgewirkt und wertvolle Unterstützung bei der Gewinnung neuer Autorinnen und Autoren geleistet. Dabei konnten wir konzeptuelle Fäden weiterspinnen, die wir bereits in der...

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