Gesundheitsförderung mit System - Qualitätsentwicklung in Projekten und Programmen der Gesundheitsförderung und Prävention

Gesundheitsförderung mit System - Qualitätsentwicklung in Projekten und Programmen der Gesundheitsförderung und Prävention

von: Petra Kolip, Günter Ackermann, Brigitte Ruckstuhl, Hubert Studer

Hogrefe AG, 2019

ISBN: 9783456760179

Sprache: Deutsch

260 Seiten, Download: 3277 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Mehr zum Inhalt

Gesundheitsförderung mit System - Qualitätsentwicklung in Projekten und Programmen der Gesundheitsförderung und Prävention



Einleitung


Qualitätsentwicklung in der Gesundheitsförderung


Qualitätsentwicklung ist im Zentrum von Gesundheitsförderung und Prävention angekommen. Die Zeiten, da „gut gemeint“ auch gut genug war, sind lange vorbei. In den vergangenen Jahren wurden Anforderungen an Qualitätsentwicklung in der Gesundheitsförderung politisch verankert, wie z.B. das im Jahr 2015 in Kraft getretene Präventionsgesetz (PrävG) in Deutschland zeigt. Zahlreiche Akteure wie Gesundheitsförderung Schweiz, der Fonds Gesundes Österreich (FGÖ), die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Deutschland, Sozialversicherungsträger und Koordinationsstellen in den Kantonen und Bundesländern haben Qualitätsentwicklung etabliert und qualifizieren Praktikerinnen und Praktiker vor Ort in Qualitätsfragen. Mittlerweile liegt ein breites Angebot an Instrumenten zur Verbesserung der Planungs-, Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität vor und Übersichtsarbeiten versuchen, die Orientierung im Qualitätsangebot zu erleichtern (z.B. Kolip, 2019; Tempel & Kolip, 2011; Tempel et al., 2014). Gerahmt werden diese Aktivitäten durch ein konzeptionelles Gerüst, das die Entwicklung von Präventions- und Gesundheitsförderungsprojekten in Phasen und damit verbundene Qualitätsdimensionen einteilt und sie mit Qualitätskriterien hinterlegt (zur Differenzierung von Prävention und Gesundheitsförderung siehe Kasten 1). Zwei dieser Kriterienkataloge haben sich mittlerweile in der Gesundheitsförderungslandschaft etabliert und finden breite Akzeptanz: die Good-Practice-Kriterien des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit (Kilian, Lehmann, Richter-Kornweitz, Kaba-Schönstein & Mielck, 2016; Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit, 2017) sowie der Kriterienkatalog quint-essenz von Gesundheitsförderung Schweiz, der in diesem Buch im Zentrum steht.

Fokus

Kasten 1: Zur Differenzierung von Gesundheitsförderung und Prävention

In der Literatur wird zwischen Gesundheitsförderung und Prävention unterschieden (Altgeld & Kolip, 2018). Worin die Unterschiede liegen und ob es sich hierbei um zwei unterschiedliche Ansätze handelt, wird weiterhin kontrovers diskutiert. Es ist Rosenbrock und Kümpers (2006) zuzustimmen, dass die beiden Konzepte in der Praxis nicht trennscharf sind und umfassende Interventionen gleichzeitig risikomindernd (Fokus Krankheit) und ressourcenfördernd (Fokus Gesundheit) arbeiten. Im Folgenden verwenden wir primär den Begriff Gesundheitsförderung, wenn für die Qualitätsdimension nicht eine explizite Unterscheidung notwendig ist.

Entwicklung der Qualitätsdiskussion in der Gesundheitsförderung


1989 wurde in das deutsche Sozialgesetzbuch V (SGB V), das die Aufgaben der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) regelt, Gesundheitsförderung mit § 20 als Aufgabe der GKV aufgenommen – und 1996 gleich wieder abgeschafft bzw. eingeschränkt, u.a. weil die Qualität der Angebote nicht gesichert war. Dies setzte Ende der 1990er-Jahre eine Diskussion darüber in Gang, was denn überhaupt die Qualität von gesundheitsbezogenen Interventionen ausmacht und wie sich diese bestimmen und verbessern lässt. Der 2001 erschienene Band der BZgA „Qualitätsmanagement in Gesundheitsförderung und Prävention“ (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2001) markiert einen Meilenstein in dieser Diskussion. Im Jahr 2000 wurde die Gesundheitsförderung in Deutschland erneut in das Sozialgesetzbuch aufgenommen, mit dem Zusatz, die GKV möge mit ihren Präventionsaktivitäten einen Beitrag zur Reduktion gesundheitlicher Ungleichheit leisten. Um diesem Anspruch Nachdruck zu verleihen, wurde 2003 der Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit ins Leben gerufen. Dieser bot mit einer Webplattform1 Projekten aus dem Feld eine Möglichkeit, sich zu präsentieren2. Hierüber sollte Transparenz hergestellt und ein Lernen aus den Erfahrungen anderer ermöglicht werden. Schnell füllte sich die Datenbank mit Projekten unterschiedlichster Qualität. So kam schnell die Frage auf, wie sich die Spreu vom Weizen trennen lässt und wie Nutzerinnen und Nutzer der Datenbank schneller Leuchtturmprojekte identifizieren können. Dies führte weiter zur Frage, anhand welcher Kriterien sich die Güte von Gesundheitsförderung festmachen lässt – die Geburtsstunde der Good-Practice-Kriterien. In einem längeren Prozess mit durchaus kontroversen Diskussionen einigte sich der Kooperationsverbund auf 12 Kriterien (Kilian et al., 2016; ausführlicher siehe Kap. 4.4, siehe auch Kasten 6).

Die Good-Practice-Kriterien nehmen mittlerweile in Deutschland eine wichtige Rolle als Referenzrahmen ein, sie sind aber nicht das einzige Angebot für Praktikerinnen und Praktiker. In Deutschland konnten nicht zuletzt durch die Förderung von Präventionsforschungsprojekten, die Aktionsbündnisse „Gesunde Lebensstile und Lebenswelten“ und die Arbeiten der BZgA zahlreiche Ansätze erprobt und für die Praxis weiterentwickelt werden. Sie decken eine große Spannbreite ab und reichen von einzelnen Instrumenten bis zu komplexen Verfahren. In den vergangenen Jahren sind in einzelnen Bundesländern Sets von Kriterien entstanden, die die vorhandenen Kataloge (z.B. die quint-essenz-Kriterien) bündeln und bundeslandspezifisch ausdeuten. In der Regel dienen diese Listen der Bewertung von Projekten, die sich im Rahmen von Landeswettbewerben (z.B. Gesundheitspreis Nordrhein-Westfalen; Hessischer Gesundheitspreis) bewerben (siehe z.B. Hessische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung, 2015). Auch die BZgA hat einen Qualitätsrahmen erarbeitet, der für Praxisprojekte – vor allem in den Themenfeldern Bewegung, Ernährung und Stressbewältigung – gedacht ist (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2012).

Auch in der Schweiz begann die Diskussion um Qualität in der Gesundheitsförderung in den 1990er-Jahren. Zu dieser Zeit kam der Wunsch nach qualitätsgesicherten Interventionen in der Gesundheitsförderung auf, ohne dass aber geeignete Instrumente oder Systeme zur Verfügung standen (Ackermann, Studer & Ruckstuhl, 2009). In Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich, dem Bundesamt für Gesundheit Schweiz (BAG) und fünf Praxisprojekten wurden Qualitätskriterien aus internationalen Public-Health-Projekten sowie aus anderen Kontexten (meist aus Industrie und Dienstleistung) systematisch aufbereitet und, wo sinnvoll, auf Gesundheitsförderung übertragen.

In enger Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis wurde so ein Set von Qualitätskriterien und Instrumenten für Interventionsprojekte entwickelt und erprobt, das zur Grundlage von quint-essenz wurde. Die Liste der Qualitätskriterien, die zur systematischen Reflexion einladen sollte, wurde nach und nach um weitere erläuternde Texte und Instrumente ergänzt und so zu einem internetbasierten System ausgebaut, das im Jahr 2000 online verfügbar gemacht wurde. 2001 ging quint-essenz in die Verantwortung von Gesundheitsförderung Schweiz über, eine nationale Stiftung, die den gesetzlich verankerten Auftrag hat, Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit und zur Verhinderung von Krankheiten zu initiieren, zu koordinieren und zu evaluieren3. Gesundheitsförderung Schweiz ist seitdem für die inhaltliche und technische Weiterentwicklung sowie für die Verbreitung des Qualitätssystems quint-essenz zuständig und sorgt für jene Kontinuität, die in Qualitätsinitiativen leider häufig fehlt.

quint-essenz versteht sich als ein umfassendes, internetbasiertes Qualitätssystem mit unterschiedlichen Elementen, das alle Qualitätsdimensionen von Interventionen in der Gesundheitsförderung umfasst. Es bietet eine Fülle an Einsatzmöglichkeiten, Zugängen und Angeboten, kann als Nachschlagewerk, vielseitige Toolbox, Projektmanagement-Tool und Austauschplattform genutzt werden. quint-essenz hat sich in der Schweiz mittlerweile als Referenzrahmen für die Qualitätsentwicklung in der Gesundheitsförderung etabliert und findet auch in Deutschland4 und weiteren Ländern immer mehr Anwenderinnen und Anwender (siehe auch Kasten 2).

Fokus

Kasten 2: Projektmanagement-Tool und Community der Webplattform quint-essenz

Projektmanagement-Tool

Die Webplattform quint-essenz bietet die Möglichkeit, Interventionen online zu planen, zu steuern und systematisch zu reflektieren. Es können Skizzen, Konzepte und Schlussberichte erstellt werden, und Programme und Projekte können systematisch anhand von Qualitätskriterien reflektiert werden (Bewertungen). Alle Teammitglieder mit entsprechenden Berechtigungen können sich daran beteiligen. Neben einer vorlagenbasierten Textansicht gibt es eine Pinnwand und einen Zeitplan, die zentrale Elemente von Projekten visualisieren und die interaktiv genutzt werden können.

Community

Programme und Projekte, die auf quint-essenz erfasst werden, können mit geringem Aufwand publiziert und auf der Projektliste in der Community der Plattform aufgelistet werden. Fachpersonen und Organisationen können ihre Profildaten für die Community freigeben und mit den Programmen und Projekten verknüpfen. Auf diese Weise wird den Akteuren in der Gesundheitsförderung die Möglichkeit geboten, voneinander zu lernen, die Interventionen...

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