Wenn Demenz zum Alltag wird - Betroffene liebevoll unterstützen - ein Ratgeber für Angehörige

Wenn Demenz zum Alltag wird - Betroffene liebevoll unterstützen - ein Ratgeber für Angehörige

von: Gertrud Teusen

mvg Verlag, 2019

ISBN: 9783961214457

Sprache: Deutsch

160 Seiten, Download: 1371 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Wenn Demenz zum Alltag wird - Betroffene liebevoll unterstützen - ein Ratgeber für Angehörige



EINLEITUNG


Wenn Demenz zum Alltag wird …


»Im Alter nehmen die Fähigkeiten ab und die Krankheiten zu.« Diesen Satz schrieb ich vor gut zehn Jahren in einem Senioren-Ratgeber. Damals dachte ich, es würde kein weiteres Buch von mir zu diesem Thema geben. Ich hatte die dritte Lebens-phase mit all ihren Facetten ausführlich beschrieben. Ich hatte eine Idee davon bekommen, was es bedeutet, mit den Einschränkungen des Alters umzugehen.

Wenn man ein Thema so ausführlich beleuchtet, dann bleibt da oft trotz allem ein blinder Fleck. Etwas, was man gar nicht so genau ausleuchten möchte und ein Punkt, an dem der Wissensdurst gestillt scheint. Dem ist nicht so. Manchmal muss man genau dort hinschauen, wo es wehtut, um zu verstehen, dass man eben nicht ausweichen kann.

Wer von Pflegebedürftigkeit im Alter spricht, meint damit nicht automatisch auch die Pflege von Menschen mit Demenz. Früher gab es dafür noch gar keine Pflegestufe und erst recht keine finanzielle Unterstützung, wenn Angehörige sich um betroffene Familienmitglieder kümmerten. Für eine adäquate Unterbringung in einer speziellen Pflegeeinrichtung musste man ganz tief in die eigene Tasche greifen. Häufig blieb nur die häusliche Versorgung. Niemand wollte wirklich genau wissen, was es kostete, sich so in die Pflicht nehmen zu lassen.

Einerseits hat sich seit damals viel geändert, andererseits nun doch wieder nicht. Immer noch tragen überwiegend die nächsten Angehörigen die Last der Pflege (mehr oder minder) alleine. Sie werden zwar von Pflegediensten unterstützt, dennoch lebt rund ein Drittel aller Menschen, die an Demenz erkranken, weiterhin im gewohnten häuslichen Umfeld und wird dort versorgt: Eine unglaubliche Leistung, die getragen ist von Liebe und Verantwortung – manchmal allerdings auch bis zur Erschöpfung und bis an die Grenze der eigenen Überforderung.

Wer so sehr mit der Pflege beschäftigt ist, dem fällt es oft schwer, selbst die einfachsten körperlichen Warnsignale wahrzunehmen. Das permanent anwesende schlechte Gewissen, dem betroffenen Angehörigen nicht gerecht werden zu können, tut ein Übriges, um die Überforderungsspirale noch ein bisschen schneller zu drehen als sie es ohnehin schon tut.

Deshalb wird auch das scheinbar Offensichtliche so gerne verdrängt. Niemand denkt bei kleinen Aussetzern gleich an eine drohende Demenz. Das ist so, weil man es nicht sehen will – und natürlich auch deshalb, weil betroffene Angehörige es nicht wahrhaben möchten. Es ist nur allzu verständlich und nachvollziehbar, denn die Realität der demenziellen Krankheiten macht schlicht und ergreifend Angst.

Ein Buch gegen die Angst


Dieses Buch handelt von dieser Angst, die betroffene und sich kümmernde Angehörige durch den Alltag begleitet. Die einen, die Menschen mit Demenz, ängstigen sich vor dem Hier und Jetzt. Die anderen, die Menschen, die sich liebevoll um einen betroffenen Angehörigen kümmern, ängstigt das, was kommt. Das ist der Unterschied.

Kann ein Buch helfen, so etwas Ungeheuerliches wie das stete Vergessen in den Alltag zu integrieren? Kann es Rat und Hilfe geben, wo Hilflosigkeit das bestimmende Gefühl ist? Wenn Demenz zum Alltag wird, so wird sie doch nie Routine sein. Es gibt keine pauschalen Antworten auf die individuellen Fragen, denn jeder Mensch ist anders und genauso vielfältig sind die Variationen des Vergessens und die Einschränkungen, die daraus entstehen.

Ein Buch über Demenz ist und bleibt ein Annäherungsversuch. Es gilt, ein Syndrom in Worte zu fassen, was aber an sich unfassbar ist. Man kann sich dem Thema medizinisch, neurologisch oder psychologisch nähern, doch ganz zu greifen bekommt man es nicht. Den verschiedenen Perspektiven fehlt immer eine Ebene, und zwar die des Betroffenen selbst, die des an Demenz erkrankten Menschen.

Es gibt keinen, der aus dieser Erfahrung berichten kann, keinen, der herausgekommen ist und zu erzählen weiß, wie es dort ist, in diesem Land des Vergessens. Was also bleibt, sind Annäherungsversuche und nüchterne Fakten, und natürlich die tausend Geschichten der Angehörigen, die einen mutigen Feldzug gegen die Vergesslichkeit ihrer betroffenen Angehörigen führen. Tag für Tag, Stunde für Stunde. Ihre Anforderungen an sich selbst ist das, was liebevolle Zuwendung möglich macht. Wie sie immer wieder aufs Neue versuchen, der unfassbaren Veränderung von lieb gewonnenen Menschen Stand zu halten und Ordnung in verwirrte Gedanken zu bringen.

In diesem Buch finden Sie keine Geschichten und Berichte aus dem Leben mit an Demenz erkrankten Menschen. Es gäbe zu viel zu erzählen, und doch ist jede Geschichte ein klein wenig anders und bringt in der Konsequenz nur wenig Erhellung. Vielmehr konzentriert sich dieses Buch darauf, Angehörigen von Menschen, die an Demenz erkrankt sind, neue, hoffentlich inspirierende Möglichkeiten zu eröffnen, die ihnen das Leben vielleicht ein bisschen leichter machen.

Worum geht es, wenn von Demenz die Rede ist?


Zunächst einmal ist Demenz keine Krankheit, sondern ein Syndrom. Demenz ist auch nicht gleich Alzheimer, selbst wenn die meisten Betroffenen an Alzheimer-Demenz leiden. Im medizinischen Fachjargon spricht man vom demenziellen Syndrom. Darunter versteht man eine Bündelung von verschiedenen Beschwerden, die in der Gesamtheit ähnlich sind, aber unterschiedliche Ursachen und vor allem unterschiedliche Verläufe haben.

So kennt man bislang rund 50 ganz unterschiedliche Erkrankungen, die zu einer Demenz führen können. Nicht immer geht eine Demenz vom Kopf aus, die überwiegenden demenziellen Krankheitsbilder haben ihre Ursachen in anderen chronischen Fehlfunktionen verschiedener Organe, die sich schlussendlich auf die Gedächtnisleistung niederschlagen.

Mediziner unterscheiden deshalb zwischen primären und sekundären Demenzformen.

Primäre Demenzen sind neurodegenerative Erkrankungen. Das bedeutet, sie haben ihren Ursprung im Gehirn und werden deshalb auch als hirnorganische Demenzen bezeichnet. Wenn man hierzulande über Demenz spricht, dann sind überwiegend diese primären Formen gemeint. Dazu gehören:

  1. die Alzheimer-Demenz,

  2. die gefäßbedingte (vaskuläre) Demenz,

  3. die Lewy-Körperchen-Demenz (in Verbindung mit Parkinson)

  4. und die sehr seltene frontotemporale Demenz.

Diese vier primären Demenzformen machen rund 90 Prozent aller Demenzerkrankungen aus. Grob vereinfacht passiert dabei Folgendes: Im Krankheitsverlauf sterben im Gehirn Nervenzellen ab, und die Verbindungen zwischen den einzelnen Zellen verkümmern. Dabei ist das auch schon die einzige Gemeinsamkeit.

Zum Beispiel Alzheimer

Bei der Alzheimer-Demenz verläuft der Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit in drei Phasen ab und ist in diesem Sinne kontinuierlich fortschreitend und nicht reversibel. Schlussendlich gehen dabei wesentliche Gehirnareale zugrunde, sodass der Verlauf zwar verlangsamt, aber nicht aufgehalten werden kann. Circa 60 bis 70 Prozent aller Demenzerkrankten haben Alzheimer.

Zum Beispiel gefäßbedingte (vaskuläre) Demenz

Bei einer vaskulären Demenz kommt es (stark vereinfacht) zu Durchblutungsstörungen im Gehirn, die kleine Mini-Schlaganfälle auslösen können. In der Folge leiden immer die Gehirnareale, die gerade betroffen sind. Die Aussetzer in Bezug auf die geistigen Fähigkeiten treten also sprunghaft in den unterschiedlichsten Bereichen auf und können sich manchmal auch wieder zurückbilden.

Zum Beispiel Parkinson

Auch die Lewy-Körperchen-Demenz, die in Verbindung mit Parkinson auftritt, hat wiederum eine Besonderheit. Vor allem führt der Morbus Parkinson an sich noch nicht automatisch zu einer Demenz, sondern betrifft im Wesentlichen die Motorik. Die Patienten erstarren (das nennt man Rigor) oder zittern (das nennt man Tremor). Im letzten Stadium des Morbus Parkinson kann es dann auch zu demenziellen Aussetzern kommen.

Frontotemporale Demenz (FTD)

Die Frontotemporale Demenz (FTD) ist eine eher seltene Form der Demenz. Dabei sind vom Niedergang im Wesentlichen die Nervenzellen in den Stirnlappen (den sogenannten Frontallappen) und den Schläfenlappen (den sogenannten Temporallappen) des Gehirns betroffen. Bei fast allen Patienten, die daran erkranken, fallen zu Beginn Veränderungen der Persönlichkeit und des zwischenmenschlichen Verhaltens auf. Sie sind besonders aggressiv und taktlos, ja manchmal auch enthemmt. Das Gedächtnis wird erst in einem späten Stadium in Mitleidenschaft gezogen.

So oder so kann man den Verlauf einer primären Demenzerkrankung nicht umkehren, allerdings lässt sich durch Medikamente und Therapie der Weg zum Vergessen verlangsamen.

Die sekundären Demenzerkrankungen sind zwar eher selten, dafür aber in Bezug auf die Ursachen besonders vielfältig. Sie können beispielsweise...

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