Lebensqualität und Sinn im 'Golden Age' - Selbstcoaching als Reifungschance mit 55+ Mit Zeichnungen von Esther Killias

Lebensqualität und Sinn im 'Golden Age' - Selbstcoaching als Reifungschance mit 55+ Mit Zeichnungen von Esther Killias

von: Erica Binder

Junfermann, 2017

ISBN: 9783955716448

Sprache: Deutsch

272 Seiten, Download: 3390 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Lebensqualität und Sinn im 'Golden Age' - Selbstcoaching als Reifungschance mit 55+ Mit Zeichnungen von Esther Killias



2. Wir Golden Ager


„Es kommt nicht darauf an,
wie alt man wird,
sondern wie man alt wird.“

(Werner Mitsch)

2.1 Golden Ager, die „neuen Alten“?


Ältere Menschen sind durch Entwicklung, Lebensweg und Schicksal so unterschiedlich und heterogen, dass nicht pauschal von den Alten im Sinne einer Typologie gesprochen werden kann. Zu dieser heterogenen Gruppe der Golden Ager kommen in den nächsten Jahren die Kohorten der Babyboomer (geboren zwischen 1955 und 1969) und die der sozial und politisch bewegten Alt-68er (geboren zwischen 1945 und Anfang der 1950er-Jahre) hinzu.

Als Kohorten werden Gruppen von Personen bezeichnet, die im gleichen Zeitraum im gleichen kulturellen Umfeld geboren wurden. Gewisse soziale, politische und kulturelle Ereignisse haben sie gemeinsam erlebt und daher auch ähnliche Inte­ressen ausgebildet. Natürlich ist eine Kohorte nicht homogen; es gibt immer wieder Trendsetter, Aktivisten, Mitläufer und solche, die nur „mit betroffen“ sind. Wenn man davon ausgeht, dass die Jugend mit ca. 20 Jahren ihre wichtige Prägung erhält, werden aus dieser Jugend 40 Jahre später die „neuen Alten“. Laut Bruns und Böhme (2007) gehören 8 Millionen Menschen allein in Deutschland zu den Alt-68ern. Dieser Zuwachs in der Gruppe der Alten macht sich bemerkbar. Gemeinsam mit den Babyboomern geben sie allein durch ihre Anzahl auch im Alter den Ton an (1/3 der Bevölkerung).

Abbildung 2: Alt-68er gestern

Sogenannte 68er in den Jahren kurz nach 1968:

  • Aufgewachsen in einer Friedens- und Wohlstandsperiode
  • Bildungsexpansion (bessere Jobs, besseres Einkommen, „Aufsteiger“)
  • Geprägt durch Jugendkultur, Kulturkonsum, Kleidung, Autonomie im Denken, Enttabuisierung der Sexualität, neue Lebensformen (Wohngemeinschaft)
  • Erfahrungen: 68er-Zeit, Vietnamkrieg, antiautoritäre, Erziehung, Friedensbewegung, Emanzipationsbewegung, AKW-Gegnerschaft etc. Viele haben Erfahrungen mit Demonstrationen, Therapien etc.
  • Neue Lebensentwürfe, neue Rollenbilder der Geschlechter, Emanzipation
  • Werte: Selbstentfaltung durch Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung, Selbstverantwortung.

Alt-68er heute:

  • Lebensqualität: gesunde, lange nachberufliche Phase
  • Oft gute materielle Absicherung (Rente, Vermögen)
  • Selbstgestaltung des Alters (Lebensphilosophie und Lebensformen)
  • Unternehmungslust, Neugier, Nonkonformismus
  • Erwarten Bildungs- und Kulturprogramme und umfassende Konsum- und Serviceangebote
  • Neues Engagement: nachberufliche Aufgaben, Freiwilligenarbeit etc.
  • Durch die vielseitigen Möglichkeiten, sich auszudifferenzieren, sind die Alt-68er noch viel heterogener als die bisherige Kohorte von alten Menschen.

Abbildung 3: Alt-68er heute

Als Rentner*innen haben die ehemaligen 68er wieder mehr Raum für ihre Ideale. Unter der Voraussetzung, dass Interesse besteht und sie über genügend Power und Möglichkeiten verfügen, werden sie sich für ein Alter in Würde und Selbstbestimmung einsetzen. Dabei handelt es sich nicht nur um einen neuen Alterslifestyle, sondern um einen Wertewandel, zieht sich doch die Forderung nach Selbstbestimmung wie ein roter Faden durch das Leben der 68er-Generation. Dazu gehört auch die Vorstellung von einem Leben im Alter, das nicht auf Gebrechen, Leid, und Einsamkeit beschränkt ist, sondern das Aktivität, Vitalität und Lebensfreude einschließt.

Geistige und körperliche Leistungsfähigkeit sind zentrale Anliegen sowie eine neue Moral von Sexualität im Alter: „Mein Körper gehört mir – egal wie alt er ist.“ Auch andere moderne Wohnformen – Alters-Wohngemeinschaft statt Altersheim – gehören dazu. Diese Selbstbestimmung erstreckt sich auch auf die Frage, ab wann das eigene Leben nicht mehr lebenswert ist. Sterbehilfe ist für ein selbstbestimmtes humanes Sterben kein Tabu.

2.2 Individueller Wandel: Lebensstufe Integrität


Die in den letzten Jahrzehnten erfolgte Verlängerung der Lebensspanne führt dazu, dass wir nicht mehr auf alte Vorstellungen und Strukturen des Alters zurückgreifen können – die gewonnenen Lebensjahre verlangen nach sinnvoller Füllung. „Wir haben offensichtlich noch gar nicht gelernt, mit dem langen Leben, besonders mit einem langen Alter, angemessen umzugehen. Viele leben, als würden sie nicht älter als sechzig Jahre. Viele haben keinen anderen Plan, als nach der Pensionierung auszuruhen. Wer kann zwanzig oder dreißig Jahre ausruhen, ohne dabei unglücklich zu werden?“ (Amann 2014, S. 137) Alter ist eine normale Lebensphase, keine „Restzeit“!

Ingrid Riedel (2009, S. 136) zitiert C.G. Jung: „Bedenken wir noch, dass Jung an der Schwelle zu seinem 60. Lebensjahr in dem Aufsatz ‚Seele und Tod‘ von 1934 schrieb: ‚Altsein ist äußerst unpopulär. Man scheint nicht zu berücksichtigen, dass Nicht-altern-Können genauso blödsinnig ist wie den Kinderschuhen Nicht-entwachsen-Können. Ein Mann von dreißig, der noch infantil ist, ist wohl bedauernswert, aber ein jugendlicher Siebzigjähriger, ist das nicht entzückend? Und doch sind beide pervers, stillos, psychologische Naturwidrigkeiten. Ein Junger, der nicht kämpft und siegt, hat das Beste seiner Jugend verpasst, und ein Alter, welcher auf das Geheimnis der Bäche, die von den Gipfeln in Täler rauschen, nicht zu lauschen versteht, ist sinnlos‘.“

Betty Friedan schreibt in Mythos Alter (1995, S. 84): „Warum betrachten wir das Alter nicht als eine neue Entwicklungsphase im menschlichen Leben – nicht Verlust der Jugendlichkeit, sondern eine Entwicklung mit offenem Ende und eigenen Gesetzen, die wir vielleicht auf noch nie da gewesene Weise selbst bestimmen können … Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir nach dem ‚Altbrunnen‘ suchen und aufhören, unser Älterwerden zu verleugnen.“

2.2.1 Entwicklung – auch im Alter?

Unter Entwicklung versteht man Veränderungen, die zeitlich geordnet erfolgen. Es verändern sich äußere Merkmale, aber auch innere Strukturen und Verhaltensweisen. Entwicklung bezieht sich also auf körperliche genauso wie auf psychische Vorgänge. Frühere Entwicklungskonzepte betrachteten vor allem Kindheit und Jugend. Mittlerweile gibt es jedoch auch Konzepte lebenslanger Entwicklung. Entwicklung bedeutet aber nicht nur Wachstum, sondern auch Abbau. Es geht nicht um Gewinn oder Verlust, sondern um ein ständiges Wechselspiel zwischen Wachstum und Abbau von Kompetenzen. Genetische Grundlagen sind für die individuelle Entwicklung nicht allentscheidend; hier sind Lebensbedingungen, Erfahrungen und persönliche Zielsetzungen mindestens genauso wichtig. In allen Altersstufen gibt es (ungenutztes) Potenzial sowie auch alters- und personenbedingte Grenzen der Entwicklungsmöglichkeiten.

Entwicklung findet also lebenslang statt und keine Altersphase des Menschen ist hierbei wichtiger als die anderen. Das Leben in seiner Ganzheit hat seinen Wert, nicht nur die Phase der Erwerbstätigkeit!

Quizfrage: Das ganze Leben ist Entwicklung. Wieso findet man am Anfang hierfür den positiven Begriff „Reifen“ und zum Ende des Lebens das eher abwertende Wort „Altern“?

Modelle der menschlichen Entwicklung teilen das Leben in Phasen ein. Je nach Blickwinkel – biologisch, sozial, psychologisch etc. – fallen diese unterschiedlich aus. Eine biologische Einteilung beispielsweise wäre: Kindheit – Erwachsensein – Alter. In der Anthroposophie spricht man von Siebenjahres-Einteilungen usw. Allen Modellen gemeinsam sind die Übergänge zwischen den einzelnen Phasen. Je nach Person und Situation können diese von einer fröhlichen Aufbruchstimmung geprägt sein oder zu einer schmerzhaften Durststrecke werden.

2.2.2 Lebensphasen nach Erik H. Erikson

„Erikson hat als erster Entwicklungspsychologe eine ausgebaute Entwicklungstheorie, die den gesamten Lebenslauf abdeckt, vorgeschlagen. In zweifacher Hinsicht ist Erikson für die Psychologie des Erwachsenen und der alternden Menschen relevant, nämlich wegen der Phasen 6, 7 und 8 sowie wegen seines Vorschlags, den individuellen Charakter eines Menschen zu verstehen aus der Art, wie er oder sie die Grundkonflikte, die die Entwicklung der Reihe nach stellt, löst“ (Flammer 1988, S. 102).

Erik H. Erikson beschreibt die psychosoziale Entwicklung eines Menschen im Spannungsfeld zwischen seinen Bedürfnissen als Individuum und den sich verändernden Anforderungen der sozialen Umwelt. Durch diese Konfrontation ergeben sich Konflikte und Krisen, deren Bewältigung Erikson als Entwicklungsaufgabe bezeichnet. In den acht definierten Phasen gilt es, bestimmte psycho-soziale Krisen zu bewältigen; von der Art der Bewältigung hängt der weitere Verlauf der Entwicklung ab. Dabei wird ein Konflikt nie vollständig gelöst, sondern bleibt ein Leben lang aktuell. Es gibt keine richtigen Lösungen. Vielmehr gilt es, die jeweils für das Individuum zutreffende Balance zu finden. Solche anstehenden Entwicklungsaufgaben sind z. B. Berufseinstieg, Familiengründung, Berufsende, Sterben und Tod.

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Lebensjahr

Psychosoziale Krise

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