Schutz in der häuslichen Betreuung Menschen - Misshandlungssituationen vorbeugen und erkennen – Betreute und Betreuende unterstützen

Schutz in der häuslichen Betreuung Menschen - Misshandlungssituationen vorbeugen und erkennen – Betreute und Betreuende unterstützen

von: Barbara Baumeister, Trudi Beck (Hrsg.)

Hogrefe AG, 2017

ISBN: 9783456956640

Sprache: Deutsch

218 Seiten, Download: 5579 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Schutz in der häuslichen Betreuung Menschen - Misshandlungssituationen vorbeugen und erkennen – Betreute und Betreuende unterstützen



2. Sechs Konfliktmuster: Ergebnisse einer Aktenanalyse (S. 43-44)
Barbara Baumeister, Trudi Beck und Milena Gehrig

2.1 Ausgangslage, Fragestellung und Zielsetzung

Pflegebedürftigkeit und kognitive Einbußen sowie ein fehlendes soziales Netzwerk sind zentrale Risikofaktoren für Misshandlung und Gewalt gegen alte Menschen (vgl. Brendebach, 2000). Partner und Freunde von hochaltrigen Menschen sind häufig bereits verstorben, weshalb sie bei zunehmender Pflegebedürftigkeit in großem Ausmaß auf die Unterstützung durch Familienangehörige angewiesen sind. Risikobehaftet sind die häusliche Betreuung und Pflege vor allem für Vernachlässigung in aktiver oder passiver Form (Seidel, 2007). Gewalthandlungen haben mitunter eine lange familiäre Vorgeschichte und Betroffene neigen dazu, sich nach außen abzuschotten (Hirsch & Kranzhoff, 1999), zudem hindern Hemmungen und Unsicherheit, Scham oder Schuldgefühle Betreuende und Betreute, Hilfe bei Fachpersonen zu suchen (vgl. Baumeister, Gehrig, Beck & Gabriel, 2015).

Auch sind von Misshandlung betroffene alte Menschen aufgrund von körperlichen und kognitiven Einbußen kaum mehr in der Lage, darüber zu sprechen oder gar selber Hilfe zu holen. Zwischen 5 % und 10 % aller Menschen im Alter sind nach Dohner (2010: 116) von Gewalt betroffen, davon in der Mehrheit Frauen (siehe Kapitel 1.1). Bei den Geschäftsstellen der Unabhängigen Beschwerdestelle für das Alter (UBA) gehen täglich Beschwerden ein, die einen Einblick in das Dunkelfeld belasteter häuslicher Betreuungssituationen ermöglichen. Um dieses Dunkelfeld zu beleuchten, haben wir im Zeitraum von 2012 bis 2013 eine Aktenanalyse bei der UBA Kanton Zürich und Schaffhausen durchgeführt.

Die Unabhängige Beschwerdestelle für das Alter (UBA) ist ein Kompetenzzentrum für Konfliktlösungen im Alter und in der Altersarbeit (UBA Schweiz, 2009). Die UBA, 1997 in Zürich gegründet, wurde seither auf den Kanton Schaffhausen, die Ostschweiz und die Zentralschweiz ausgeweitet und ist seit 2008 durch die UBA Schweiz gesamtschweizerisch vernetzt. Trägerorganisationen sind Curaviva, das Rote Kreuz, Pro Senectute und der Spitex Verband (ebd.). Seit 2010 wird bei der UBA Schweiz eine gemeinsame Datenerfassung der eingehenden Beschwerden aller UBA-Regionen geführt. Grundsätzlich kann sich jede Person, die Verdacht auf Missstände bei alten Menschen schöpft oder Misshandlungen beobachtet bzw. selber davon betroffen ist, an die Beschwerdestelle wenden. Eingereichte Beschwerden werden von Fachpersonen der Medizin, Sozialarbeit, Recht, Pflege oder Psychologie geprüft und bearbeitet. Je nach Konfliktfall werden durch die fallführende Person weitere Fachpersonen in die Bearbeitung involviert. Die Fachpersonen dokumentieren ihren Fall jeweils und geben diese Daten an die Geschäftsstelle zurück. Diese führt für jede Beschwerde eine Fallakte. Beim größten Teil der Beschwerden handelt es sich um finanzielle Angelegenheiten, sowohl im häuslichen als auch im stationären Bereich, gefolgt von psychischer Misshandlung, wie Abbildung 2-1 zeigt.

Im Rahmen der Studie „Schutz betreuungsbedürftiger alter Menschen im häuslichen Um feld“ wurden ausschließlich diejenigen Akten berücksichtigt, bei denen es sich um ältere Menschen (i. d. R. ab 60 Jahren) handelte, die zu Hause leben. Beschwerdefälle, die sich auf ein stationäres Setting bezogen, wurden damit ausgeschlossen. Das Forschungsinteresse galt dem Schutz in der häuslichen Betreuung. Mit der Aktenanalyse sollte eine Beschreibung der Stichprobe bezüglich der Konfliktursachen und der am Konflikt Beteiligten ermöglicht werden. Diese Daten dienten weiter zur Klärung der ausschlaggebenden Interventionskriterien bei Verdacht auf Misshandlung oder im Falle tatsächlicher Misshandlung und der Darstellung der Interventionsschritte durch die unterschiedlichen Fachpersonen. Es sollten dadurch verschiedene Formen von Gewalt und deren Entstehungsbedingungen sowie die intervenierenden Handlungen verschiedener Fachpersonen aufgezeigt werden. Bei den Akten handelt es sich bereits um Interpretationen durch die fallführenden Fachpersonen. So waren zum Beispiel die jeweiligen Konfliktarten „finanziell“, „physisch“, „psychisch“ und „Grundrechtsverletzung“ bereits definiert. Es waren in dem Sinne keine oder kaum narrative Ursprungsdaten vorhanden. Die festgehaltenen Konfliktursachen und Interventionskriterien sind folglich bereits eine Reduktion des tatsächlichen Sachverhalts. Folgende Hauptfragestellung lag der Analyse der von der UBA erstellten Akten zu den Beschwerdefällen zugrunde:

•• Wer meldet eine Beschwerde bei der UBA?
•• Welche Anliegen hat der Beschwerdeführer oder die Beschwerdeführerin? •• Welches sind die Bedingungen der Konfliktentstehung?
•• Wer ist an dem Konflikt beteiligt?
•• Wie verlaufen bei Beschwerdefällen Interventionsprozesse durch verschiedene Fachpersonen?
•• Mit welchem Ergebnis wird der Fall abgeschlossen?

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