Arbeitsrecht - Vom Vertrag bis zur Kündigung

Arbeitsrecht - Vom Vertrag bis zur Kündigung

von: Irmtraud Bräunlich Keller, Der Schweizerische Beobachter

Beobachter-Edition, 2013

ISBN: 9783855694709

Sprache: Deutsch

297 Seiten, Download: 749 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Arbeitsrecht - Vom Vertrag bis zur Kündigung



Gegenseitiges Vertrauen – gegenseitige Pflichten

Im Arbeitsverhältnis geht es um den Austausch von Arbeitsleistung gegen Lohn. Dabei entsteht jedoch zwischen den Parteien ein besonderes Vertrauensverhältnis. Das Arbeitsvertragsrecht enthält deshalb eine Reihe gegenseitiger Pflichten: Der Sorgfalts- und Treuepflicht seitens des Arbeitnehmers steht die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber.

Arbeitnehmer: Sorgfalt, Loyalität, Redlichkeit


Als Arbeitnehmer stellen Sie Ihre Arbeitskraft für eine vereinbarte Zeit zur Verfügung und werden vom Arbeitgeber dafür bezahlt. Doch mit dem Verkaufen Ihrer Arbeitskraft allein ist es nicht getan. Nach Gesetz haben Sie eine Reihe von Pflichten gegenüber Ihrem Arbeitgeber. Völlig unterordnen müssen Sie sich jedoch nicht.

Die persönliche Arbeitspflicht

Sie haben Ihre Stelle erhalten, weil Sie über ganz bestimmte, für den Arbeitgeber nützliche Fähigkeiten und Eigenschaften verfügen. Sie sind daher auch verpflichtet, «die vertraglich übernommene Arbeit in eigener Person zu leisten…» (Art. 321 OR). Sie dürfen also nicht einfach einen Stellvertreter an den Arbeitsplatz delegieren oder eigenmächtig eine Hilfskraft beiziehen. Verletzen Sie die persönliche Arbeitspflicht, kann der Arbeitgeber unter Umständen Schadenersatz verlangen.

Die persönliche Arbeitspflicht fällt dahin, wenn der Arbeitgeber freiwillig darauf verzichtet, zum Beispiel bei Freistellung während der Kündigungsfrist (siehe Seite 234), oder wenn er nicht in der Lage ist, genügend Arbeit zuzuweisen oder das nötige Arbeitsmaterial zur Verfügung zu stellen (siehe Seite 196).

Die Sorgfalts- und Treuepflicht

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind verpflichtet, die ihnen «übertragene Arbeit sorgfältig auszuführen und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren» (Art. 321a OR). Der Arbeitgeber darf von Ihnen also loyales, redliches Verhalten erwarten. Dazu gehören vor allem folgende Verpflichtungen:

Sie müssen Maschinen, technische Einrichtungen, Fahrzeuge etc. fachgerecht bedienen und alle Materialien sorgfältig behandeln. Dazu gehört auch, dass Sie Probleme und Defekte umgehend melden und in Notfällen bei Reparatur- oder Aufräumarbeiten mit Hand anlegen.

Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses dürfen Sie keinem bezahlten Nebenerwerb nachgehen, sofern Sie damit Ihre Treuepflicht verletzen. Besonders streng verboten ist jede den Arbeitgeber konkurrenzierende Tätigkeit (zum Thema Nebenerwerb siehe Seite 177).

Verboten ist das Ausplaudern von Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnissen wie Forschungsergebnisse, Kundendaten, Produktionsverfahren etc. Allfällige Probleme, Missstände oder Gesetzesübertretungen, von denen Sie im Rahmen Ihres Arbeitsverhältnisses erfahren, müssen Sie zuerst mit den Vorgesetzten besprechen, bevor Sie sich allenfalls an die zuständige Behörde oder gar an die Öffentlichkeit wenden. Auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt die Schweigepflicht in reduziertem Umfang weiter, soweit die berechtigten Interessen des Arbeitgebers dies erfordern. Sie haben jedoch das Recht, sich in einem Konkurrenzunternehmen anstellen zu lassen und dort die am alten Arbeitsplatz erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten anzuwenden, es sei denn, Sie unterstünden einem Konkurrenzverbot (siehe Seite 189).

Über alles, was Sie im Rahmen Ihrer vertraglichen Tätigkeit von Dritten bekommen, müssen Sie dem Arbeitgeber Rechenschaft ablegen und es ihm sofort herausgeben (Art. 321b OR). Nebst Waren, Urkunden, Werkzeugen etc. geht es hier vor allem um Geldbeträge. Wenn Sie Geldbeträge – auch Schmiergelder – zurückbehalten, machen Sie sich der Veruntreuung schuldig. Lediglich Trinkgelder und kleine Gelegenheitsgeschenke fallen nicht unter die Herausgabepflicht. Auch was Sie in Ausübung Ihrer Tätigkeit hervorbringen, also das Arbeitsergebnis, gehört dem Arbeitgeber. Dies gilt auch für Erfindungen, die Sie in Erfüllung Ihrer vertraglichen Pflichten machen (Art. 332 OR).

Zur Treuepflicht gehört schliesslich auch die Bereitschaft, Überstunden zu leisten (Art. 321c OR, siehe Seite 102).

Die Grenzen der Treue

Die gesetzliche Treuepflicht kann im individuellen Arbeitsvertrag erweitert oder eingeschränkt werden. Doch alles hat seine Grenzen: Ihre Persönlichkeitsrechte dürfen nicht verletzt werden. Als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter haben Sie ein Recht auf freie Meinungsäusserung, und Sie müssen sich für Ihren Chef weder gesundheitlich noch finanziell ruinieren.

Nur sehr begrenzt müssen sich Mitarbeitende Vorschriften über ihr Freizeitverhalten machen lassen. Anpassen müssen Sie sich allenfalls dann, wenn Sie in einem sogenannten Tendenzbetrieb arbeiten, zum Beispiel in einem weltanschaulich ausgerichteten Unternehmen, oder wenn Sie in leitender Position stehen. In solchen Fällen darf der Arbeitgeber erwarten, dass Ihr Verhalten im Privatleben dem Ansehen Ihres Unternehmens keinen Schaden zufügt.

Wenn die Treuepflicht verletzt wird

Die Treuepflicht ist ernst zu nehmen. Allerdings äussert sich das Gesetz nicht zu den Konsequenzen eines Treuebruchs. Die Gerichtspraxis zeigt jedoch, dass Verstösse gegen die Treuepflicht auf unterschiedliche Weise geahndet werden können: Von der einfachen Ermahnung bis hin zur fristlosen Entlassung und/oder Klage auf Schadenersatz ist alles möglich. In schlimmen Fällen droht gar ein Strafverfahren. Laut Bundesgericht kann die Treuepflicht auch durch Konventionalstrafen abgesichert werden. Allerdings müssen Disziplinarmassnahmen (z. B. Bussen) im Arbeitsvertrag klar umschrieben, verhältnismässig und für den Arbeitnehmer kalkulierbar sein (BGE 119 II 162).

URTEILE Keine Treuepflichtverletzung begeht ein Arbeitnehmer, der zwar in ungekündigter Stellung, jedoch bei voller Erbringung seiner Arbeitsleistungen eine Einzelfirma gründet, die ihre Tätigkeit erst nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses aufnehmen und den früheren Arbeitgeber nicht konkurrenzieren soll. (BGE 117 II 72)

Die Angestellte eines Pflegeheims verletzt ihre Verpflichtung zur Verschwiegenheit, wenn sie ohne Wissen des Arbeitgebers nachts im Innern des Heims einen Film dreht, diesen dem Fernsehen übergibt und an einer kritischen Sendung teilnimmt, in welcher der Film ausgestrahlt wird. Eine fristlose Entlassung ist deshalb gerechtfertigt. (BGE 127 III 310)

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht die Treuepflicht des Arbeitnehmers nur noch in Form einer Verschwiegenheitspflicht weiter, jedoch nicht mehr als Verbot, die im Dienst des Arbeitgebers erfahrenen, geheim zu haltenden Tatsachen zu verwerten. Im konkreten Fall war es ehemaligen Mitarbeitern erlaubt, mit Kunden des Ex-Arbeitgebers Kontakt zu halten und mit diesen ein Auftragsverhältnis einzugehen. (Obergericht Zürich, vom 13.10.2003)

Keine Treuepflichtverletzung beging ein Bankangestellter in folgendem Fall von sogenanntem Whistleblowing: Er glaubte, unsaubere Machenschaften seines Filialleiters festgestellt zu haben, und wandte sich an einen Anwalt, der die Interessen der Bank vertrat. Interne Untersuchungen konnten den Verdacht nicht erhärten. Trotzdem war die Kündigung, welche der Bankangestellte daraufhin erhielt, missbräuchlich. Da es in der Bank keine Richtlinien dafür gab, wie bei allfälligen Missständen vorzugehen sei, konnte man es dem Arbeitnehmer nicht vorwerfen, dass er sich an den Anwalt gewandt hatte. Dieser war kein Externer, sondern eine Vertrauensperson, die unter Schweigepflicht stand. Angesichts der Umstände war das Vorgehen korrekt, selbst wenn die Vorwürfe gegenüber dem Filialleiter sich nicht erhärteten. (BGE 4A_2/2008, vom 8.7.2008)

Eine schwere Pflichtverletzung beging ein SBB-Kadermann, der problematische Eigengeschäfte mit Lieferfirmen getätigt hatte und deswegen zu Recht fristlos entlassen wurde. Konkret wurde ihm vorgeworfen, 70 000 Franken für die Beratung von Firmen in Dubai kassiert, von einer Baufirma ein privates Darlehen von über 30 000 Franken erhalten und von einem weiteren Unternehmen Reisegutscheine entgegengenommen zu haben. Gegen den Mann wurde ausserdem ein Strafverfahren wegen Bestechlichkeit eröffnet. (BGE A-4597/2012 vom 21.2.2013)

Die Pflicht, Anordnungen zu befolgen

Wer zahlt, befiehlt: Gemäss diesem Grundsatz gibt das Gesetz dem Arbeitgeber das Recht, «über die Ausführung der Arbeit und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb allgemeine Anordnungen zu erlassen und ihnen besondere Weisungen zu erteilen». Die Angestellten haben diese Weisungen zu befolgen (Art. 321d OR).

Der Chef kann also Arbeitsbeginn und -ende festlegen, Sitzungstermine bestimmen oder bestimmte Schutzkleidung vorschreiben. Die Weisungen können fachlicher oder...

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