König Lear / King Lear - Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) / Bilingual edition (German-English)

König Lear / King Lear - Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) / Bilingual edition (German-English)

von: William Shakespeare

e-artnow, 2014

ISBN: 9788026809340

Sprache: Deutsch

272 Seiten, Download: 528 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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König Lear / King Lear - Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) / Bilingual edition (German-English)



ZWEITE SZENE




Ein Saal im Schloß des Grafen Gloster

Edmund mit einem Briefe.

EDMUND
Natur, du meine Göttin! Deiner Satzung
Gehorch ich einzig. Weshalb sollt ich dulden
Feindseliger Sitte Ungunst und gestatten,
Daß mich der Völker enger Sinn enterbt,
Weil ich ein zwölf, ein vierzehn Mond erschien
Nach einem Bruder? - Was Bastard, weshalb unecht,
Wenn meiner Glieder Maß so stark gefügt,
Mein Sinn so kühn, so adlig meine Züge,
Als einer ehrbarn Gattin Frucht? Warum
Mit unecht uns brandmarken? Bastard? Unecht?
Uns, die im heißen Diebstahl der Natur
Mehr Stoff empfahn und kräftgern Feuergeist,
Als in dem dumpfen, trägen, schalen Bett
Verwandt wird auf ein ganzes Heer von Tröpfen,
Halb zwischen Schlaf gezeugt und Wachen? Drum,
Echtbürtiger Edgar, mein wird noch dein Land!
Des Vaters Liebe hat der Bastard Edmund
Wie der Echtbürtige. Schönes Wort: echtbürtig!
Wohl, mein Echtbürtiger, wenn dies Brieflein wirkt
Und mein Erfinden glückt, stürzt den Echtbürtgen
Der Bastard Edmund. Ich gedeih, ich wachse!
Nun, Götter, schirmt Bastarde!
Gloster kommt.

GLOSTER
Kent so verbannt! Frankreich im Zorn gegangen!
Der König fort zu Nacht! Der Macht entsagt!
Beschränkt auf Leibgeding! Und alles das
Im Nu! - Edmund, was gibts, was hast du Neues?

EDMUND
steckt den Brief ein.
Verzeih Euer Gnaden, nichts.

GLOSTER
Warum steckst du so eilig den Brief ein?

EDMUND
Ich weiß nichts Neues, Mylord.

GLOSTER
Was für ein Blatt lasest du da gerade?

EDMUND
Nichts, Mylord.

GLOSTER
Nichts? Wozu denn die schreckhafte Eile damit in deine Tasche? Ein wirkliches Nichts bedarf keiner solchen Hast, sich zu verstecken. Laß sehn! Gib! Wenn es nichts ist, brauche ich keine Brille.

EDMUND
Ich bitte, Herr, verzeiht; es ist ein Brief meines Bruders, den ich noch nicht ganz durchgesehen, und soweit ich bis jetzt las, finde ich den Inhalt nicht für Eure Durchsicht geeignet.

GLOSTER
Gib mir den Brief, sag ich!

EDMUND
Ich werde unrecht tun, ich mag ihn geben oder behalten. Der Inhalt, soweit ich ihn verstehe, ist zu tadeln.

GLOSTER
Laß sehen, laß sehn!

EDMUND
Ich hoffe zu meines Bruders Rechtfertigung, er schrieb dies nur als Prüfung und Versuchung meiner Tugend.

GLOSTER
liest.
Dieses Herkommen, diese Ehrfurcht vor dem Alter verbittert uns die Welt für unsre besten Jahre; entzieht uns unser Vermögen, bis unsre Hinfälligkeit es nicht mehr genießen kann. Ich fange an, eine alberne, törichte Sklaverei in diesem Druck bejahrter Tyrannei zu finden, die da herrscht, nicht weil sie Macht hat, sondern weil man sie duldet. Komm zu mir, daß ich weiter hierüber rede. Wenn unser Vater schlafen wollte, bis ich ihn weckte, solltest Du für immer die Hälfte seiner Einkünfte genießen und der Liebling sein Deines Bruders Edgar. -
Hum! - Verschwörung! - Schlafen wollte, bis ich ihn weckte - die Hälfte seiner Einkünfte genießen. - Mein Sohn Edgar! Hatte er eine Hand, dies zu schreiben? Ein Herz und ein Gehirn, dies auszubrüten? - Wann bekamst du dies? Wer brachte dirs?

EDMUND
Es ward mir nicht gebracht, Mylord, das ist die Feinheit; ich fands durch das Fenster meines Zimmers geworfen.

GLOSTER
Du erkennst deines Bruders Handschrift?

EDMUND
Wäre der Inhalt gut, Mylord, so wollte ich darauf schwören; aber wenn ich auf diesen sehe, so möchte ich lieber glauben, sie sei es nicht.

GLOSTER
Es ist seine Hand.

EDMUND
Sie ists, Mylord, aber ich hoffe, sein Herz ist dem Inhalte fern.

GLOSTER
Hat er dich nie zuvor über diesen Punkt ausgeforscht?

EDMUND
Niemals, Mylord; doch habe ich ihn oft behaupten hören, wenn Söhne in reifen Jahren und die Väter auf der Neige ständen, dann sei von Rechts wegen der Vater des Sohnes Mündel und der Sohn Verwalter des Vermögens.

GLOSTER
O Schurke, Schurke! - Völlig der Sinn seines Briefes! - Verruchter Bube! Unnatürlicher, abscheulicher, viehischer Schurke! Schlimmer als viehisch! - Geh gleich, such ihn auf, ich will ihn festnehmen. - Verworfener Bösewicht! - Wo ist er?

EDMUND
Ich weiß es nicht genau, Mylord. Wenn es Euch gefiele, Euren Unwillen gegen meinen Bruder zurückzuhalten, bis Ihr ihm ein beßres Zeugnis seiner Absichten entlocken könnt, so würdet Ihr sichrer gehen; wollt Ihr aber gewaltsam gegen ihn verfahren, und hättet Euch in seiner Absicht geirrt, so würde es einen argen Riß in Eure Ehre machen und das Herz seines Gehorsams zertrümmern. Ich möchte mein Leben für ihn zum Pfande setzen, daß er dies geschrieben hat, um meine Ergebenheit gegen Euch, Mylord, auf die Probe zu stellen, ohne eine gefährliche Absicht.

GLOSTER
Meinst du?

EDMUND
Wenns Eur Gnaden genehm ist, stell ich Euch an einen Ort, wo Ihr uns darüber reden hören und Euch durch das Zeugnis Eures eignen Ohrs Gewißheit verschaffen sollt, und das ohne Verzug, noch diesen Abend.

GLOSTER
Er kann nicht solch ein Ungeheuer sein -

EDMUND
Und ists gewiß nicht.

GLOSTER
- gegen seinen Vater, der ihn so ganz, so zärtlich liebt! Himmel und Erde! Edmund, such ihn, forsche mir ihn aus, ich bitte dich; führe das Geschäft nach deiner eigenen Klugheit; ich würde alles dafür hingeben, die gehörige Klarheit zu gewinnen.

EDMUND
Ich will ihn sogleich suchen, Mylord, die Sache fördern, wie ichs vermag, und Euch von allem Nachricht geben.

GLOSTER
Jene letzten Verfinsterungen an Sonne und Mond weissagen uns nichts Gutes. Mag die Wissenschaft von der Natur sie so oder anders auslegen, die Natur selbst fühlt sich geschlagen von den Wirkungen, die ihnen folgen: Liebe erkaltet, Freundschaft fällt ab, Brüder entzweien sich; in Städten Meuterei, auf dem Lande Zwietracht, in Palästen Verrat; das Band zwischen Sohn und Vater zerrissen. Dieser mein elender Bursche bestätigt die Vorzeichen: da ist Sohn gegen Vater. Der König weicht aus dem Gleise der Natur: da ist Vater gegen Kind. Wir haben das Beste unsrer Zeit gesehn: Ränke, Herzlosigkeit, Verrat und alle zerstörenden Umwälzungen folgen uns rastlos bis an unser Grab. Erforsche mir den Buben, Edmund, es soll dein Schade nicht sein; tu's mit allem Eifer. Und der edle Kent mit seinem treuen Herzen verbannt! Sein Verbrechen: Redlichkeit! - Seltsam, seltsam!
Geht ab.

EDMUND
Das ist die tollste Narrheit dieser Welt: Geht es einmal schlecht mit unserm Glück - oft, weil wirs zu weit getrieben haben in unsrer Lebensführung, schieben wir die Schuld an unsern Desastern auf Sonne, Mond und Sterne, als wenn wir Schurken wären durch Notwendigkeit, Narren durch himmlische Einwirkung, Schelme, Diebe und Verräter durch die Übermacht der Sphären, Trunkenbolde, Lügner und Ehebrecher durch zwingende Abhängigkeit von planetarischem Einfluß, und alles, worin wir schlecht sind, durch göttlichen Anstoß. Eine herrliche Ausflucht für den Liederlichen, seine hitzige Natur den Sternen zur Last zu legen! - Mein Vater ward mit meiner Mutter einig unterm Drachenschwanz, und meine Nativität fiel unter ursa major; und so folgt denn, ich müsse rauh und verbuhlt sein. Ei was, ich wäre geworden, was ich bin, wenn auch der jungfräulichste Stern am Firmament auf meinen Bastardsursprung geblinkt hätte. [Edgar ] -
Edgar tritt auf.
Und husch ist er da, wie der Schluß in der alten Komödie. Mein Stichwort ist »spitzbübische Melancholie« und ein Seufzer wie Tom aus Bedlam. - Oh, diese Verfinsterungen deuten auf diesen Zwiespalt! Fa, sol, la, mi -

EDGAR
Wie gehts, Bruder Edmund? In was für tiefsinnigen Betrachtungen?

EDMUND
Ich sinne, Bruder, über eine Weissagung, die ich dieser Tage las, was auf diese Verfinsterungen folgen werde!

EDGAR
Gibst du dich mit solchen Dingen ab?

EDMUND
Ich versichere dich, die Wirkungen, von denen er schreibt, treffen leider ein! - Unnatürlichkeit zwischen Vater und Kind, Tod, Teuerung, Auflösung alter Freundschaft, Spaltung im Staat, Drohungen und Verwünschungen gegen König und Adel, grundloses Mißtrauen, Verbannung von Freunden, Auflösung des Heers, Trennung der Ehen und was noch alles!

EDGAR
Seit wann gehörst du zur astronomischen Sekte?

EDMUND
Sag mal, wann sahst du meinen Vater zuletzt?

EDGAR
Nun, gestern abend.

EDMUND
Sprachst du mit ihm?

EDGAR
Ja, zwei volle Stunden.

EDMUND
Schiedet ihr in gutem Vernehmen? Bemerktest du kein Mißfallen an ihm in Worten oder Mienen?

EDGAR
Durchaus nicht.

EDMUND
Besinne dich, womit du ihn beleidigt haben könntest, und ich bitte dich, meide seine Gegenwart, bis eine kurze Zwischenzeit die Hitze seines Zorns abgekühlt hat, der jetzt so in ihm wütet, daß ihn kaum eine Mißhandlung an deiner Person besänftigen würde.

EDGAR
Irgendein...

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